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Moskauer Diva

Moskauer Diva

Titel: Moskauer Diva
Autoren: B Akunin
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v-verstehe nicht ganz, Altaïrskaja und Lointaine – ist das eine Person oder sind das zwei?«
    »Eine! Elisa Altaïrskaja-Lointaine, das ist ihr voller Name. Früher war ihr Bühnenpseudonym Lointaine, dann hat sie geheiratet und wurde eine Altaïrskaja, nach ihrem Mann. Allerdings haben sie sich schon bald wieder getrennt, aber Sie müssen zugeben, für eine Schauspielerin wäre es dumm gewesen, auf einen so schönen Namen zu verzichten.«
    »Trotzdem habe ich nicht ganz …« Fandorin runzelte die Stirn. »Diese Dame hat vor irgendetwas Angst, Sie haben ihren nervlichen Zustand sehr anschaulich beschrieben. Aber was genau macht ihr Angst?«
    Und vor allem: Was wollen Sie von mir, setzte er in Gedanken hinzu.
    »Das sagt sie nicht, das ist es ja! Elisa ist sehr verschlossen, sie klagt nie. Eine Seltenheit bei einer Schauspielerin! Aber gestern hat sie mich besucht, wir haben uns sehr angenehm unterhalten, und plötzlich brach es aus ihr heraus. Sie fing an zu schluchzen, warf sich an meine Brust, stammelte, ihr Leben sei ein Alptraum, sie würde es nicht mehr aushalten, sie fühle sich gehetzt und gequält. Doch als ich genauer nachfragte, wurde Elisa schrecklich blass, biss sich auf die Lippen, und ich bekam kein Wort mehr aus ihr heraus.Offensichtlich bereute sie ihre Offenheit. Schließlich stammelte sie etwas Unverständliches, bat mich, ihre kurzzeitige Schwäche zu entschuldigen, und lief davon. Ich habe die Nacht nicht geschlafen und fand den ganzen Tag keine Ruhe! Ach, Erast Petrowitsch, ich kenne Elisa schon sehr lange. Sie ist nicht hysterisch und phantasiert sich nichts zusammen. Ich bin sicher, ihr droht Gefahr, und zwar eine, von der sie nicht einmal ihrer Freundin erzählen kann. Im Namen all dessen, was uns verbindet, flehe ich Sie an: Finden Sie heraus, was da los ist. Für Sie ist das eine Kleinigkeit, Sie sind schließlich ein Meister im Lüften von Geheimnissen. Sie haben so genial das verschwundene Manuskript von Anton Pawlowitsch wiedergefunden!«, erinnerte sie Fandorin an die Geschichte, mit der ihre Bekanntschaft begonnen hatte, und er verzog das Gesicht ob dieser unverhüllten Schmeichelei. »Ich werde Sie in Elisas Kreise einführen. Sie ist im Moment die Jugendliche Heldin in der »Arche Noah«.
    »Was? W-wo?«, fragte Erast Petrowitsch erstaunt.
    »Sie spielt im Rollenfach Jugendliche Heldin in diesem neumodischen Theater, das versucht, dem Künstlertheater Konkurrenz zu machen«, erklärte Olga. In ihrem Ton schwang leichte Herablassung mit – gegenüber Fandorins Unwissenheit oder gegenüber jenen Toren, die sich erdreisteten, mit dem großen Künstlertheater zu konkurrieren. »Die ›Arche Noah‹ ist auf Gastspiel aus Petersburg angereist, um das Moskauer Publikum zu verblüffen und zu erobern. Man bekommt keine Karten dafür, aber ich habe alles arrangiert. Sie werden auf dem besten Platz sitzen, damit Sie sich alle dort genau ansehen können. Und anschließend gehen Sie hinter die Kulissen. Ich rufe Noah Nojewitsch an (das ist der Direktor, Noah Nojewitsch Stern) und bitte ihn, Sie in allem voll zu unterstützen. Er umwirbt mich schon eine Weile, er hofft, mich zu sich zu locken, er wird meine Bitte also ohne überflüssige Fragen erfüllen.«
    Erast Petrowitsch trat ärgerlich gegen ein Stuhlbein, woraufhin es in der Mitte brach. Eine alberne, lächerliche Angelegenheit, diehypochondrischen Launen einer Diva mit unmöglichem Namen, aber eine Absage war völlig ausgeschlossen. Und das, da er jeden Moment damit rechnete, zu den Ermittlungen in einem historischen, ja epochalen Fall hinzugezogen zu werden!
    Zungenschnalzend griff Masa nach dem beschädigten Möbelstück. Er versuchte, sich darauf zu setzen, und der Stuhl kippte.
    »Sie schweigen? Sie werden mir meine Bitte doch nicht etwa abschlagen? Wenn auch Sie mich im Stich lassen, das überlebe ich nicht!«, sagte die Witwe des großen Autors im Tonfall der Arkadina, die Trigorin 4 beschwört.
    »Wie k-könnte ich es wagen«, entgegnete Erast Petrowitsch trübsinnig. »Wann soll ich im Theater sein?«
    »Sie sind ein Schatz! Ich wusste, dass ich mich auf Sie verlassen kann! Die Vorstellung beginnt um acht. Ich erkläre Ihnen alles …«
    Halb so schlimm, beruhigte sich Fandorin. Schließlich verdient es diese bemerkenswerte Frau, dass ich einen Abend für ihre Launen opfere. Sollte allerdings ein Anruf wegen des Falls Stolypin kommen, erkläre ich ihr, dass es sich um ein staatswichtiges Problem handelt …
    Doch bis zum Abend
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