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Moser Und Der Tote Vom Tunnel

Moser Und Der Tote Vom Tunnel

Titel: Moser Und Der Tote Vom Tunnel
Autoren: Martin Baehr
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Händen.
    Serini wartete an der Fundstelle meine Ankunft ab. Ich ließ Materialkiste und Gewehr sicherstellen«, erläuterte Sehnert.
    »Und wo befindet sich dieses Gewehr jetzt?«, wollte Moser wissen.
    »Verehrter Herr Kriminalrat«, antwortete Sehnert, »Sie sitzen gerade darauf.«
    Moser machte einen Satz von seiner Sitzbank. »Wie?«
    »Ja, Herr Moser, ich hielt es für angebracht, die Waffe bzw. ihre Einzelteile sicherzustellen, damit das Instrument nicht in falsche Hände gerät. Habe deshalb unseren Kutscher, dem man hundertprozentig vertrauen kann, gebeten, die Einzelteile der Waffe zu bergen, während wir bei Kettenring auf Sie warteten. Mir erschien das Fach unter der hinteren Sitzbank unseres Wagens als das sicherste Versteck.
    Aber keine Angst, in ihrem gegenwärtigen Zustand geht von dieser Waffe keine Gefahr aus. Denn um sie scharf zu machen, würde man erst einmal einige Spezialwerkzeuge benötigen. Sie können gern Ihren Sitz einmal hochklappen.«
    Moser klappte die Sitzfläche um und blickte in das Fach. Darin lagen, in ein Tuch aus grobem Leinen eingeschlagen, die Einzelteile einer großen Handfeuerwaffe. Moser pfiff durch die Zähne. »Mein lieber Herr Inspektor, der Fund ist in der Tat brisant …«
    In diesem Moment fuhr der Wagen durch ein Schlagloch und Moser strauchelte. »Ach, wenn nur diese Kutsche nicht so schaukeln würde …«
    »Nicht wahr, ich habe Ihnen doch nicht zu viel versprochen, oder? Wahrscheinlich haben Sie schon etwas von der Gewehrfabrik Châtellerault gehört, Herr Kriminalrat«, antwortete Sehnert.
    »Ja«, erwiderte Moser, »diese Waffenschmiede ist in der Tat nicht unbekannt.«
    »Nun«, erläuterte Sehnert, »bei der hier in Einzelteile zerlegten Waffe handelt es sich um das Châtellerault-Gewehr M/74.84 von der französischen Staatsgewehrfabrik Châtellerault. Es ist das verbesserte Konkurrenzprodukt des Gras-Vetterli-Gewehres, das bekanntlich zu den wirksamsten Handfeuerwaffen Europas zählt. Dieses Einladergewehr von Gras, von Vetterli mit einer Mehrladevorrichtung versehen, hat sich ja bestens bewährt. Das Magazinrohr der Weiterentwicklung von Châtellerault fasst acht Patronen. Allerdings ist es ein Prototyp, der noch erprobt wird. Im Januar letzten Jahres sind vierundzwanzig Jägerbataillone der französischen Armee zunächst mit je hundert solcher Waffen ausgestattet worden, wie mir heute Nachmittag der kaiserliche Geheimdienst übermittelte. Sofern die Erprobung erfolgreich verläuft, dürften über kurz oder lang die ganzen französischen Truppen damit ausgerüstet werden. Bei dem Ding handelt es sich mehr um eine Schießmaschine als um ein Gewehr. Anders als diese gekurbelten Repetierwaffen im amerikanischen Bürgerkrieg vor zwanzig Jahren, ist das Châtellerault-Gewehr eine echte, leichte Handfeuerwaffe.«
     
    Mittlerweile hatte die Kutsche die ersten Häuser an der Landauer Straße in Pirmasens erreicht und ratterte über die nächtliche Hauptstraße zum unteren Schlossplatz. Hier wurde Moser abgesetzt, der Wagen bog in die Bahnhofstraße ein und fuhr auf den Hof des königlichen Bezirksamts.
     
    Moser ging zum wenige Meter vom Schlossplatz entfernt liegenden Hotel Lamm, das schon bei seinem Aufenthalt im Jahre 1849 als das ›erste Haus am Platze‹ galt, in dem nicht nur die Stadträte verkehrten, sondern auch alle auswärtigen Gäste, die etwas auf sich hielten.
    Bereits bei der Fahrt durch Pirmasens war Moser aufgefallen, dass sich hier in den letzten vierzig Jahren viel verändert zu haben schien. Offenbar hatte die Industriestadt seit damals einen steilen Aufschwung genommen. Auch das Innere des Hotels, ein bestimmt schon weit über hundert Jahre alter dreistöckiger Kasten schräg gegenüber des Rathauses, war überraschend modern ausgestattet. Vom Portier hatte er erfahren, dass es in Pirmasens schon seit vielen Jahren eine Wasserleitung und Gasbeleuchtung gab, was er nach seinen Eindrücken von 1849 von dieser Stadt kaum erwartet hatte. Der Kriminalrat war froh, nach einem ausführlichen Abendessen im Restaurant des Hotels endlich auf seinem Zimmer zu sein.
    Ihm war bewusst, dass der morgige Tag genauso anstrengend wie der heutige werden würde. Und Sehnert wollte ihn schon um halb acht wieder abholen.

Beratung im Amt
     
     
    Am nächsten Morgen – Moser war gerade mit dem Frühstück fertig – kam Sehnert ins Hotel, um ihn abzuholen. Sie gingen die kurze Strecke zum Bezirksamt zu Fuß. Der Kriminalrat wunderte sich, dass Sehnert ihn in die
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