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Moser Und Der Tote Vom Tunnel

Moser Und Der Tote Vom Tunnel

Titel: Moser Und Der Tote Vom Tunnel
Autoren: Martin Baehr
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älteren Gleises waren geborsten und ragten wie drohende Finger in den Himmel. Am nahen Tunnelwärterhaus gingen mehrere Scheiben zu Bruch. Aufgeregt stürzte mir der Kölsche-Heiner entgegen, der die Aufsicht über die Rotte hatte und mit seinem Horn die Arbeiten nach der erfolgten Durchfahrt der Züge wieder freigeben musste. Er schrie etwas von Explosion und Toten. Von der gesamten Gleisarbeiterrotte sollte niemand überlebt haben, nur er kam mit einer stark blutenden Kopfwunde davon.
    Ich schickte Kölsch in die Mannschaftsbaracke, damit er sich von seinen Kameraden verbinden lassen sollte. Aber er folgte nicht, sondern rannte gemeinsam mit mir zur Unglücksstelle, ohne seine Wunde zu versorgen.
    Es stellte sich heraus, dass Christmann, einer der hiesigen Arbeiter, mit dem Aufpickeln des Reschs neben dem Gleiskörper beschäftigt war. An dieser Stelle wurde vor fünfzehn Jahren mit Dynamit gesprengt. Leider steckte noch eine nicht detonierte Ladung im Hang, die sofort explodierte, als Christmann darauf schlug. Normalerweise explodiert Dynamit nur durch eine Zündung; es sei denn, das Material ist gefroren, wie am 31. Januar der Fall. Die Explosion schleuderte Christmann den Pickel mit einer solchen Gewalt an den Hals, dass er sofort tot war.
    Die umherfliegenden Gesteinsbrocken trafen die neben Christmann arbeitenden Kameraden, sodass alle schwer verletzt und blutend neben dem Krater lagen. Einige waren ohnmächtig. Habe sofort die Arbeiter der nächsten Schicht aus den Baracken holen lassen und mit der Bergung der Kameraden beauftragt. Außerdem sorgte ich dafür, dass der Kölsche-Heiner endlich verbunden wurde. Die Verletzten – es handelte sich um zwölf Männer – brachte man auf Tragen in eine der Mannschaftsbaracken. Ferner ließ ich nach dem Kantonsarzt in Dahn schicken. Noch bevor der Doktor eintraf, starb ein weiterer Arbeiter an seinen Verletzungen; ein Italiener. Die übrigen Männer waren alle lebensgefährlich verletzt und wurden teilweise ins Distriktspital nach Dahn gebracht. Dort befinden sich noch immer fünf unserer Arbeiter, wobei es bei einem nach wie vor um Leben und Tod geht. Nur einer der Verletzten ist jetzt wieder auf der Schicht; der Diehle-Jakob aus Münchweiler. Ihn hatte es weniger schlimm erwischt.«
    »Das heißt also, dass dieses Unglück bisher nur zwei Tote gefordert hat. Die Informationen, die uns nach München geschickt wurden, sind also richtig«, äußerte Moser.
     
    »Ja, wenn man den anderen Toten nicht mitzählt«, meinte Kettenring. 

Leichenfund an der Rotsuhl
     
     
    »Nun ja, Herr Kettenring. Dieser Tote hat wohl nur sehr bedingt etwas mit der Explosion zu tun«, zog Inspektor Sehnert das Wort an sich. »Bei der allgemeinen Aufregung im Lager bemerkte man zunächst nicht, dass einer der Ungarn offenbar unmittelbar nach der Explosion verschwunden war. Die Ungarn stellen die Minderheit unter den Arbeitern und haben so gut wie keinen Kontakt mit den Einheimischen und der italienischen Gruppe. Deshalb ist es nicht weiter verwunderlich, dass das Verschwinden von diesem Zoltán Koloman, wie der Mann sich nannte, der Bauleitung nicht gleich auffiel. Koloman war nicht in der Schicht, die während des Unglücks arbeitete. Er wurde jedoch von mehreren seiner Kameraden noch unmittelbar nach der Explosion im Lager gesehen. Wann er verschwand, konnte auf Grund der allgemeinen Aufregung niemand sagen. Alle waren ja zur Unglücksstelle geeilt. Erst als er am übernächsten Tag nicht zur Schicht erschien, wurde nachgeforscht.
    Seine ungarischen Kameraden wussten angeblich nichts über den Verbleib von Koloman. Sie glaubten zunächst, dass er vielleicht seine Schicht getauscht und doch unter den Verletzten des Unglücks war. Anscheinend handelte es sich um einen Einzelgänger, der auch zu den anderen Ungarn kaum Kontakt hatte. Seine Pritsche in der Baracke war zwei Nächte lang unbenutzt. Herr Kettenring ließ seinen Spind aufbrechen; offenbar waren seine ganzen Habseligkeiten noch vorhanden.
    Vier Tage nach dem Unglück setzte wieder dichter Schneefall ein. Morgens ging die Frau des Tunnelwärters, der in Gebäude Nr. 471 der Pfälzischen Eisenbahnen auf der anderen Seite des Grabeneinschnitts wohnt, über das Tunnelportal in den Wald, um neues Feuerholz zu holen. Ihr fiel im nördlichen Teil der Gewanne Rotsuhl unter einem kleinen Felsüberhang südlich neben dem Weg zum Langenberg ein frischer Reisighaufen auf, der durch die geschützte Lage unter dem Vorsprung kaum verschneit
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