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Moser Und Der Tote Vom Tunnel

Moser Und Der Tote Vom Tunnel

Titel: Moser Und Der Tote Vom Tunnel
Autoren: Martin Baehr
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damals sehr verschlechtert und der Bierwagen rumpelte schwerfällig über die zahlreichen vereisten Schlaglöcher.
    Moser schien nicht sehr begeistert von dieser Fahrt. Hannes erzählte, als sie an dem teilweise fast dreißig Meter hohen Bahndamm entlang fuhren, der die Straße auf einer Seite begleitete, wie er vor fünfzehn Jahren als junger Arbeiter an dieser Gebirgsbahn mitgebaut und gutes Geld verdient hatte. Pirmasens war viel zu lang ohne Eisenbahnanschluss, weil die infolge der Topographie sehr aufwändige Streckenführung der Verwaltung der Pfälzischen Ludwigsbahn damals zu teuer war.
    Moser erinnerte sich, dass man in Pirmasens bereits 1849 heftig die sogenannte Eisenbahnfrage debattierte, weil die in diesem Jahr eröffnete erste pfälzische Hauptlinie, die Stammstrecke der Ludwigsbahn, über das vierzig Kilometer entfernte Kaiserslautern führte und Pirmasens nicht berührte. Er dachte auch wieder daran, wie sich damals die Freischärler dieser noch nicht ganz vollendeten Strecke bemächtigt und eigene Zugfahrten durchgeführt hatten.
    Moser erfuhr von Hannes, dass erst 1873 die Arbeiten an der zweiten Hauptlinie vom Rhein an die Saar von Landau nach Zweibrücken begannen, an die Pirmasens über eine Zweigbahn angeschlossen wurde.
    Hannes meinte: »Wissen Sie, der Bahnbau war ein Glücksfall für den Vater vom Müller-Peter. War mit dem Peter zusammen in der Schule und kannte ihn gut. Deshalb stellte der alte Müller mich auch seinerzeit ein. Die Eisenbahngesellschaft hat damals die Baulose für die neue Strecke versteigert und der alte Müller bekam den Zuschlag für den Abschnitt von Hauenstein nach Rodalben. Das waren gute Zeiten für den alten Müller. Die hatten ja schon früher ein angesehenes und großes Baugeschäft. Leider ging es aber nach dem Tod des Alten den Bach hinunter. So schnell kann’s gehen. Nach 1875 war nichts mehr los in unserer Gegend. Die Bauleute wurden arbeitslos. Und sein Sohn ist jetzt auch nur Knecht beim Wadle-Fritz in der Post, wie ich. Eigentlich wäre es seine Aufgabe, das Bier in Pirmasens zu holen. Heute ist der Peter jedoch für Wadle nach Annweiler gefahren.«
     
    Moser hatte in den Unterlagen gelesen, dass diese zweite Hauptstrecke der Pfälzischen Ludwigsbahn anfangs nur eingleisig ausgebaut wurde, man jedoch Dämme, Tunnel und Brücken bereits beim Bau 1873/75 für ein zweites Gleis ausgelegt hatte. Seit Mitte letzten Jahres führte man endlich den zweigleisigen Ausbau durch, da der Fernzugverkehr auf dieser internationalen Strecke immer mehr zunahm. Die Arbeiten erfolgten diesmal großenteils durch die ›Pfälzischen Eisenbahnen‹, der durch Fusion der Pfälzischen Ludwigsbahn, der Pfälzischen Maximiliansbahn sowie den Pfälzischen Nordbahnen entstandenen größten Privatbahn Europas selbst. Anders als beim seinerzeitigen Bau der Strecke, hatte man die Arbeiten für das zweite Gleis nur zu einem geringen Teil an Fremdfirmen vergeben, was zu einem weiteren Niedergang der ortsansässigen Bauunternehmen führte.

Das Eisenbahnerlager am Tunnel
     
     
    Das Tal wurde enger, die Straße steiler und erklomm die Höhe des Bahndamms. Dort überquerte sie die Gleise an einem Schrankenposten. Der Wärter schloss gerade die Schlagbäume des Übergangs, als das Fuhrwerk mit Moser und Hannes heranrollte. Hannes hielt die Pferde an. Mit einem Blick auf den vorbeirauschenden Zug meinte er: »Es hat ja ganz schön gekracht hier in der Wesch vor zwei Wochen. Ist wohl eine ganze Gleisbaurotte bei der Explosion umgekommen. Alle waren froh, wieder Arbeit bei der Bahn gefunden zu haben. Und dann so etwas. Damals, als wir die Strecke gebaut haben, ist nie etwas passiert. Aber nun … diese Toten. Vor allem Italiener, aber auch ein paar Ungarn und Deutsche sollen es gewesen sein. Seit die vielen ausländischen Arbeiter wieder da sind, ist die Unruhe in den Dörfern sowieso schon groß. Wie vor fünfzehn Jahren, als die Bautrupps zum ersten Mal hier anrückten. Der alte Müller hatte über hundert Mann in Italien angeworben, weil hier nicht genügend Arbeitskräfte vorhanden waren. Wurde richtig ruhig, als die ’75 wieder abzogen. Glaube, die sind nun alle wieder da.«
    »Ja, das Unglück muss wirklich schlimm gewesen sein; aber so viele Tote gab es nun auch wieder nicht, so viel ich weiß«, äußerte Moser.
    »Sicher sind Sie doch auch wegen der Explosion hier. Habe ja schon immer gesagt, dass uns dieser neumodische Sprengstoff noch alle ins Grab bringen wird.«
    »Soweit ich
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