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Moser Und Der Tote Vom Tunnel

Moser Und Der Tote Vom Tunnel

Titel: Moser Und Der Tote Vom Tunnel
Autoren: Martin Baehr
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Pfalz um Amtshilfe. Der Fall muss seinerzeit im Circular der Bezirksämter veröffentlicht worden sein. Ich überlege gerade, wann das gewesen sein müsste … Ach ja. Geiger, geben Sie uns bitte einmal den Circularband des Bezirksamts von 1872/73. Dort müsste die Sache eigentlich zu finden sein.«
    »Ich heiße Greiner, Herr Kriminalrat.«
    »Auch gut, wäre Ihnen trotzdem verbunden, wenn Sie uns den Band holen würden«, erwiderte Moser.
    Greiner ging in die Registratur und kam mit einem Folianten mit blauem Einband zurück. In diesem waren die Circulare des Bezirksamts Pirmasens für den gewünschten Zeitraum gebunden.
    Moser blätterte mehrere Seiten um und hielt inne. »Ah, ja, hier haben wir es schon. Es handelt sich um das Circular vom 13. Juni 1872. Die Bekanntmachung des kaiserlichen Untersuchungsrichters aus Colmar zu diesem Fall lautet: Am dritten dieses Monats ist in dem sogenannten Hofgraben bei der St.-Fridolins-Brücke an der Staatsstraße Nr. 83 im Bann von Bollweiler, die Leiche eines Frauenzimmers in einem Sack gefunden. Der Tod ist unzweifelhaft dadurch herbeigeführt worden, dass die Verstorbene vier Schläge mit einem spitzen Instrument – etwa einem Karst – gegen den Hinterkopf erhalten hat, die den Schädel vollständig zertrümmert haben.
    Es ist anzunehmen, dass das Verbrechen selbst in der Nacht vom 28. auf den 29. Mai dieses Jahres verübt ist, weil man am Morgen des 29. auf der Fridolinsbrücke eine frische Blutlache gefunden hat. Die Leiche ist wahrscheinlich auf einem mit Pferden bespannten Wagen an Ort und Stelle gefahren, da die Blutlache mit frischem Pferdemist bedeckt gefunden ist. Es ist ferner anzunehmen, dass die Verstorbene mehrere Stunden vorher, ehe sie in das Wasser geworfen wurde, als Leiche der Luft ausgesetzt ist. Die Verstorbene, die ganz entkleidet gefunden ist, ist an siebenundzwanzig Jahre alt gewesen, hat starkes kastanienbraunes Haar, das an der Stirne frei herunterfällt und am Hinterkopf in Zöpfe geflochten ist, die Hautfarbe ist zart und Hände und Füße sind klein. Die Photographien der Leiche, sowie der in Alkohol conservierte Kopf können in Augenschein genommen werden. Der Sack, in dem die Leiche gefunden worden, ist ein großer Getreidesack von Leinwand, offenbar schon lange im Gebrauch und an einzelnen Stellen geflickt. Er ist gezeichnet in schwarzer Farbe: Sacs sans couture 8 Levy et Cie Breveté; sowie: J M 10 BOUFEIN A NANCY. Die Zeichen J M 10 sind offenbar späteren Datums, als die übrigen, da die Farbe durch das Liegen im Wasser ausgegangen ist. Der Sack war mit einer gedrehten dünnen Schnur zugebunden. Jeder, der über die Person der Getödteten oder die muthmaßlichen Thäter Auskunft geben kann, wird hierdurch aufgefordert, sich bei mir zu melden. Colmar, den 4. Juni 1872. Der kaiserliche Untersuchungsrichter.«
    »Jetzt erinnere ich mich auch«, meinte Sehnert. »Ist ja schon fünfzehn Jahre her. Weiß aber noch, dass wir damals die Fotografien angefordert hatten, weil in Ruppertsweiler eine Frau vermisst wurde, auf die diese Beschreibung passte. Allerdings tauchte die vermisste Person wieder auf, bevor die Bilder hier eintrafen. Habe keine Nachricht erhalten, dass dieser Fall in Bollweiler inzwischen aufgeklärt ist. Denke aber, dass auch diese Mordsache nichts mit unserem Toten vom Waschtal zu tun hat.«
    »Da sind wir uns natürlich völlig einig. Unser Fall ist komplett anders gelagert. Gibt es eigentlich schon ein Aktenzeichen?«, erwiderte Moser. »Ja, Herr Kriminalrat. Mordsache 1888; in der Hoffnung, dass sich in unserem Bezirk dieses Jahr nicht noch ein weiterer Mord ereignet«, sagte Greiner, der die ganze Zeit die Unterhaltung seiner Vorgesetzten interessiert verfolgt hatte.

Mordanschläge auf den Kaiser
     
     
    »Unser Fall scheint eine mehr oder weniger politische Dimension zu haben«, erläuterte Moser, »das unterscheidet ihn von den meisten Morden, die ich bisher aufzuklären hatte. Sagen Sie, Sehnert, erinnern Sie sich eigentlich noch an das Attentat damals auf Kaiser Wilhelm?«
    »Sie meinen diesen mysteriösen Mordanschlag auf unseren jetzigen Kaiser in der Lichtentaler Allee in Baden-Baden? Das ging doch damals durch alle Zeitungen.«
    »Ja, könnte sein, dass ich dieses Ereignis meine. Bin mir aber nicht sicher, ob es in Baden-Baden stattfand. Wann war das denn genau?«, wollte Moser wissen.
    »Das weiß ich auch nicht mehr. Es muss bestimmt schon über fünfundzwanzig Jahre her sein. Ich war damals auf jeden Fall noch
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