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Morgengrauen

Morgengrauen

Titel: Morgengrauen
Autoren: Stefan Ummenhofer , Alexander Rieckhoff
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Josipović, der größte Zocker zwischen Baden-Baden und Sarajevo«, nickte Hubertus.
    »Richtig, mein Freind.« Josipović schlug ihm von hinten auf die Schulter. Für ihn waren Gewinne in dieser Höhe nichts Besonderes. Verluste allerdings auch nicht …
    Zum Dank für seine Unterstützung hatten Hubertus und Klaus ihm nicht nur drei Gläser Sekt spendiert, sondern auch noch angeboten, ihn mit nach Schwenningen zu nehmen, weil er dort einen Freund besuchen wollte.
    »Mein Freind, mach einmal Musik.« Diesmal patschte Josipović’ Hand auf Klaus’ Schulter. »Oder soll ich singen bosnische Volkslied?«
    Hubertus zuckte zusammen.
    Klaus drehte sich zu Josipović um und sagte: »Rado, ich präsentiere dir was ganz Besonderes. Mein Privatradio!«
    Er beugte sich nach rechts, schob Hubertus’ Knie zur Seite und öffnete das Handschuhfach. Hinter zahlreichen CD-Hüllen und gebrauchten Tempo-Taschentüchern, die Kerstin ihres chronischen Schnupfens wegen dort gehortet hatte, kam ein rechteckiger Kasten zum Vorschein, der nicht viel größer als ein Geldbeutel war.
    Hummel schüttelte wieder den Kopf. Er kannte dessen Bestimmung bereits. »Klaus, das ist illegal! Völlig illegal!«
    Riesle drehte am Knopf des rot-schwarzen Geräts, während der Wagen leichte Schlingerbewegungen machte, weil sein Fahrer nicht ausreichend auf die Straße achtete. Hubertus schrie auf. Mit dem ehemaligen Hobbyrennfahrer Klaus unterwegs zu sein wirkte sich negativ auf seinen Blutdruck aus.
    Aus dem Kasten ertönte ein Piepsen und Knarzen. Auch Josipović war nun klar, worum es sich handelte: »Mein Junge: ist Polizeifunk!«
    Riesle nickte. »Ja. Ohne das kommst du heute als Journalist nicht mehr weit.«
    Bei dem Gerät stellte sich allerdings der Vorführeffekt ein. Es tat sich quasi gar nichts. Kein Wunder, um drei viertel sieben morgens.
    Zehn Minuten später lieferten sie Josipović bei dessen Freund ab. Genauer gesagt, im menschenleeren Industriegebiet Herdenen zwischen den Stadtteilen Villingen und Schwenningen.
    »Hier ist gutt«, sagte Josipović, als er sie in die Nähe des Einkaufszentrums dirigiert hatte.
    »Hier?«, wunderte sich Hubertus. »Hier gibt’s kein einziges Privathaus. Bist du dir sicher, dass dein Freund hier wohnt?«
    »Ja. Ist gutt, mein Freind«, bekräftigte Josipović, lehnte sich mit einem Ruck nach vorne, um Klaus und Hubertus mit seinen muskulösen Armen zu herzen, streichelte den Polizeifunkkasten geradezu liebevoll – dann war er weg.
    Klaus kapierte es als Erster: »Der geht zu Häringer.«
    »Ins Bordell«, fiel nun auch bei Hubertus der Groschen. »Von wegen zu einem Freund.«
    Sie warteten einen Augenblick. Tatsächlich steuerte Josipović das Etablissement an, das Hubertus und Klaus auch schon hatten aufsuchen müssen. Rein beruflich, versteht sich …
    Trotz dieser Entdeckung und der immer noch vorhandenen Euphorie nach dem Spielgewinn wirkte der Alkohol allmählich ermüdend. »Lass uns schnell nach Hause fahren«, gähnte Hubertus. »Und stell endlich diesen Kasten ab.«
    Forderung eins stieß bei Klaus auf keinen Widerspruch, doch den Polizeifunk ließ er weiter vor sich hin rauschen.
    Noch immer knarzte es. Doch dann ertönte eine Tonleiter – und erstmals eine Stimme: »Hilflose Person im Villinger Kneippbad. Möglicherweise Tötungsdelikt. Notarzt und Krankenwagen sind schon unterwegs. Bitte Kripo verständigen.«
    Klaus war sofort elektrisiert. »Ich habe gewusst, dass sich das Gerät auszahlt. Ha! Nur 80 Euro habe ich dafür gezahlt«, jauchzte er.
    »Ich frage lieber nicht, an wen«, grummelte Hubertus, der sich überlegte, ob seine Müdigkeit oder seine Neugier Oberhand gewinnen sollte. Aber zuerst musste er noch etwas moralisieren: »Du freust dich also über einen möglichen Mord? Du bist wirklich ein Beispiel dafür, dass der Mensch dem Menschen ein Wolf ist.« Trotz dieses Exkurses in die philosophische Welt des Thomas Hobbes siegte auch bei Hubertus allmählich die Neugier. Ärger würde es so oder so geben, wenn sie jetzt zum Tatort fahren würden.
    Und natürlich würden sie das …
    »In fünf Minuten sind wir da«, meinte Klaus. »Vielleicht schaffen wir’s ja noch vor Kommissar Müller.« Mit ihm waren sie wegen ihrer Recherchen schon mehrfach aneinandergeraten. Er mochte weder Journalisten noch Lehrer, obwohl er mit Letzteren beruflich seltener konfrontiert wurde. Riesle und sein Freund im Duo waren für Müller jedoch die Garantie für einen verdorbenen Tag.
    Der Kadett
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