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Morgengrauen

Morgengrauen

Titel: Morgengrauen
Autoren: Stefan Ummenhofer , Alexander Rieckhoff
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wirklich, ich falle darauf rein?« Huber klang fast enttäuscht. »Ich sagte gar nichts – und werde es auch nicht, da können Sie mich noch so löchern.«
    Die beiden kannten sich schon über ein Jahrzehnt, und im Lauf der Zeit hatten sie gelernt, sich zu respektieren – trotz der unterschiedlichen Rollen, die sie einnahmen.
    »Herr Ö, ich muss Sie doch nicht an die Informationspflicht gegenüber den Medien erinnern?«, gab Klaus dennoch nicht auf. Ein Satz, den er schon hundert Mal gebraucht hatte. Er fühlte sich heute Morgen nicht gut in Form. Es lag wahrscheinlich doch am fehlenden Schlaf.
    Auch der Ton des Ö wurde nun schärfer. »Und ich darf Sie vielleicht daran erinnern, dass wir erst einmal den Eltern die Todesnachricht überbringen wollen?«, meinte er dann. »Damit sind die Kollegen nämlich gerade beschäftigt. Oder wollen Sie das zukünftig gleich mit übernehmen?«
    Riesle schwieg. In ihm arbeitete es. Die Tote war nicht verheiratet, dachte er. Sonst würden die Beamten nicht den Eltern, sondern dem Ehemann die Nachricht überbringen. Ein Hinweis – wenn auch ein karger.
    »Wann können Sie mehr sagen?«, wollte Riesle wissen.
    »Wir sind nicht verpflichtet, den Namen der Toten zu nennen«, belehrte ihn der Ö. »Aber versuchen Sie’s nach fünfzehn Uhr noch mal. Ansonsten wird es sicher im Verlauf der nächsten Tage eine Pressekonferenz zu diesem Fall geben.«
    In den nächsten Tagen! Eine Ewigkeit für einen Tageszeitungsjournalisten.
    Einen Hinweis hatte der Ö dann doch noch. »Vielleicht war es ja ein ÜGIT«, neckte er Riesle.
    Der musste endgültig passen. »ÜGIT?«
    »Ein › ü berregionaler g efährlicher I ntensiv t äter‹«, wurde er aufgeklärt.
    »Wirklich? Gibt es Hinweise darauf?«, fragte Riesle.
    »Nein. Aber es steht jetzt bei den Abkürzungen 3:2 für mich«, beschied ihn der Ö und legte auf.
    Kerstin stand im Schlafzimmer. Sie hatte einen guten Teil des Telefonats mitbekommen. »Kneippbad? Da wolltest du doch mit mir heute hin? Klaus, das ist doch kein Zufall?« Ihre Stimme hatte jetzt etwas Anklagendes.
    Klaus überlegte. Zum einen würde er, wenn die Polizei partout keine Auskunft gab, die Spur der Toten im Freibad aufnehmen müssen. Zum anderen ging es jetzt wohl primär darum, Kerstin zu besänftigen. »Schau mal, Schatz«, begann er. Hm. Und weiter? Vielleicht sollte er ihr ganz allgemein seine Liebe erklären. Das half doch bei Frauen meistens …
    Das Telefon half ihm aus dieser Situation; es klingelte wieder. Hatte es sich der Ö anders überlegt? Klaus drückte auf den grünen Empfangsknopf: »Bei Zehnle.« Dann ließ er den Hörer sinken. »Für dich«, sagte er enttäuscht und reichte ihn weiter.
    Während seine Freundin telefonierte, machte Riesle sich weiter Gedanken.
    Nach fünf Minuten hatte er den Tag durchgeplant. Er würde mit Kerstin in ein anderes Schwimmbad gehen, um sie nicht noch mehr zu vergrätzen. Noch besser: an einen See. Dort würde er schlafen, denn in dieser Form war er nicht voll arbeitsfähig. Am Nachmittag war noch einmal ein Anruf bei der Polizeipressestelle fällig. Und falls dies nicht fruchten sollte, würden es Hubertus und er eben nochmals im Freibad versuchen. Müller konnte ja nicht wochenlang die Bademeister bewachen und ihnen den Mund zuhalten.
    Kurz nachdem er den Plan ausgefeilt hatte, legte Kerstin auf. »Das war Claudia«, sagte sie mit tonloser Stimme.
    Riesle sah sie fragend an. »Claudia? Die von der Fachhochschule? Bei der wir neulich zum ›Wokken‹ waren?«
    Kerstin nickte leicht. Ihre Augen wirkten jetzt ermattet.
    An diese Veranstaltung erinnerte sich Riesle gut – allerdings nicht gerade gern. Der Abend war nämlich ein Zugeständnis an Kerstin gewesen, weil sie sich darüber beschwert hatte, dass er nie Zeit habe. Stundenlang Gemüse zu schnippeln empfand Riesle aber als Zeitverschwendung. Er war mehr der »Fast-Food-Typ«, obwohl sein Freund Hubertus nicht müde wurde, ihm die Gefahren und Giftstoffe einer solchen Ernährung aufzuzählen. Der hatte es gerade nötig …
    Nicht nur der Wok und die mannigfachen asiatischen Zutaten hatten Riesle genervt, sondern auch die vier Freundinnen von Kerstin: zwei Lehrerinnen und zwei, die an der Fachhochschule irgendwelche wahrscheinlich schnarchlangweiligen wissenschaftlichen Studien trieben. Nichts für den Praktiker Klaus.
    »Claudia, ja«, sagte er also. »Und?«
    Irgendetwas in Kerstins Gesichtsausdruck kam ihm plötzlich fremd vor. Auch schien sie blasser als
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