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Morgengrauen

Morgengrauen

Titel: Morgengrauen
Autoren: Stefan Ummenhofer , Alexander Rieckhoff
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raste über den Bickenberg und war kurz darauf in der Kirnacher Straße, wo die verlassenen Kasernen der ehemaligen französischen Besatzungsmacht standen. Mit quietschenden Reifen fuhr Klaus auf den Parkplatz des Kneippbads und parkte zwischen einem Polizeiauto und einem Rettungswagen. Dann holte er aus dem Kofferraum seine Digitalkamera: »Für alle Fälle.«
    Durch den Polizeifunk waren die Freunde inzwischen schon informiert, dass es sich nicht nur um eine bewusstlose, sondern um eine tote Person handelte und dass diese weiblichen Geschlechts war.
    »Klaus«, zupfte Hubertus seinen Freund am Ärmel des zitronengelben Sakkos, das dieser im Casino getragen hatte. »Klaus, das gibt wirklich Ärger. Und wenn die erfahren, dass du den Polizeifunk abhörst …«
    »Ach was«, widersprach Riesle gelassen. »Wir sind ganz normale Badegäste.«
    »In dem Aufzug?«, gab Hubertus zu bedenken und sah an sich herunter. Eine graue Stoffhose, schwarze Slipper, ein weißes Hemd und eine Krawatte mit Gänsemotiv. Auch Riesle sah keineswegs wie ein morgendlicher Schwimmer aus. Unter dem gelben Sakko trug er ein schwarzes Hemd und eine Krawatte mit dem Aufdruck »Nobody’s perfect«. Seine Hose war weiß, seine Halbschuhe ebenfalls.
    Der Journalist hatte diese Bedenken nicht. Er erwog sogar zunächst, sich mit seinem Presseausweis freien Eintritt zu verschaffen, doch konnte er ja schlecht sagen: »Riesle vom Kurier : Hier ist ein Mord passiert« – auch wenn er dies gerne getan hätte. Stattdessen löste er brav eine Eintrittskarte fürs Bad und spendierte sogar Hubertus noch eine.
    Das Kassenhäuschen war erstaunlicherweise weiter geöffnet, auch wenn der französische Bademeister einen einigermaßen konsternierten Eindruck machte. Vielleicht hing das auch mit der Bärchentasche von Klaus’ Freundin Kerstin zusammen, die dieser im Kofferraum seines Wagens gefunden hatte und die er nun als Badetasche ausgab.
    Die beiden Polizisten vor Ort – mehr waren es tatsächlich noch nicht – schienen überfordert. Sollte man das ganze Gelände absperren? Oder nur das Becken? Einstweilen taten sie gar nichts – und einige Frühschwimmer zogen deshalb unbeeindruckt weiter ihre Bahnen.
    Die Tote war teilweise von einem weißen Tuch bedeckt und lag neben dem Becken, über dem die Sonne nun die Nebelschwaden weitgehend verdrängt hatte. Im Halbkreis um die Leiche standen die Rettungssanitäter, der Notarzt, Bademeister Willy – und Herr Keller.
    »Grüß dich, Willy«, sagte Klaus, der in seinen achtzehn Berufsjahren beim Schwarzwälder Kurier Bekanntschaft mit so ziemlich jedem Doppelstädter gemacht hatte.
    Riesle hob wie selbstverständlich das weiße Tuch an, doch das Gesicht der Leiche löste bei ihm zunächst keinen Wiedererkennungseffekt aus.
    Die weitere Konversation wurde durch einen Mann mit Brille erschwert, der – äußerst korrekt gekleidet – in Begleitung seines Kollegen Winterhalter durch das Eingangstor auf die Gruppe zuging. »Das kann doch wohl nicht wahr sein«, schimpfte der Bebrillte zunächst auf die Streifenbeamten, um sich dann an Willy zu wenden: »Sind Sie der Bademeister? Mein Name ist Müller, Kripo VS. Ich möchte Sie bitten, umgehend dafür zu sorgen, dass der Badebetrieb eingestellt und das Bad geschlossen wird. Und wenn Sie jeden Schwimmer einzeln aus dem Becken ziehen müssen. Hier handelt es sich schließlich um einen Tatort!«
    Nun wandte er sich Klaus und Hubertus zu: »Wie kommen Sie denn hierher?«
    Hubertus fasste sich als Erster ein Herz: »Wir wollten baden.«
    Der Kommissar schaute beide Freunde scharf an. Er blickte ihnen ins Gesicht, dann auf die Kleidung, auf die Bärchentasche und wieder ins Gesicht.
    Winterhalter mischte sich ein: »Stilvolle Kleidung für einen Badeausflug«, merkte er an. Dann streichelte er das Bärchen: »Und die Tasch isch jo herzallerliebscht.«
    Winterhalter war ein echter Schwarzwälder – bodenständig und in seiner Art manchmal staubtrocken. Hauptberuflich war er Kommissar, nebenberuflich hatte er den Bauernhof seiner Eltern übernommen – in Linach, etwa zwanzig Autominuten von Villingen entfernt.
    Dann wandte sich der Nebenerwerbslandwirt an Kommissar Müller: »Ich versuch mol, die Personalie von dene Badegäscht aufzunehme.«
    »Tun Sie das«, meinte Müller kurz. »Sorgen Sie dafür, dass niemand den Raum … ähem, das Bad verlässt.« Pause. »Außer diesen beiden Herren hier.« Er deutete auf Hummel und Riesle und schob nach: »Oder haben Sie etwa
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