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Morgen wirst du sterben

Morgen wirst du sterben

Titel: Morgen wirst du sterben
Autoren: Gina Mayer
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hatte, war weg. Felix war nur hier, weil Sophia sich ihm hemmungslos an den Hals geschmissen hatte. Weil er zu höflich war, sie von sich zu stoßen.
    Er lächelte sie an. Wahrscheinlich hätte er gerne auf die Uhr gesehen, aber auch das verbot ihm seine Höflichkeit.
    Sag doch was!, beschwor Sophia sich selbst in Gedanken. Die Stumme-Fisch-Nummer macht alles noch viel schlimmer, als es ohnehin schon ist.
    »Du bist schon fertig mit der Schule?«, fragte sie schließlich.
    »Schon länger. Allerdings hab ich auch kein Abitur. Ich bin nicht so ein Überflieger wie dein Bruder. Hab die Schule nach der Zehnten geschmissen. Immerhin hat mich meine Mutter dazu gezwungen, die mittlere Reife zu machen.«
    »Puh. Zum Glück.«
    »Finde ich inzwischen auch. Damals war ich nur genervt.«
    »Nee, ich meinte: Zum Glück bist du nicht so ein Überflieger wie Moritz.«
    Felix lachte. »Na ja, manchmal wär ich froh, wenn mir alles so leichtfallen würde wie ihm. Der hat’s doch echt drauf, oder? Er hat mir erzählt, dass er Medizin studieren will …«
    »Das schafft er auch. Im Moment hat er einen Durchschnitt von eins Komma eins.«
    »Wow. Na, ich hatte zum Schluss einen Schnitt von drei sieben.«
    »Ich bin auch nicht viel besser.« Vermutlich waren Felix seine Noten damals scheißegal gewesen, wahrscheinlich hatte er für die Schule keinen Finger gerührt. Sophia dagegen strengte sich an und lernte wie verrückt und blieb dennoch nur mittelmäßig.
    Die Kellnerin brachte den Kaffee. Als sie die Tassen vom Tablett auf den Stehtisch stellte, schwappte die Hälfte des Inhalts auf die Untertassen.
    »Ups!«, sagte Sophia.
    Die Frau durchbohrte sie mit ihren Blicken. »Kann ja mal passieren, oder?«
    »Klar doch«, sagte Sophia und kicherte, weil Felix hinter dem Rücken der Bedienung eine angsterfüllte Grimasse zog. Misstrauisch hob die Kellnerin den Kopf und wandte sich zu ihm um. Aber nun lächelte er schon wieder unschuldig.
    »Ich hol einen Lappen.« Weg war sie.
    »Prost!« Felix hob seine tropfende Tasse. »Auf uns Loser! Ich freue mich, dass du mich nicht verachtest.« Er nahm einen Schluck Kaffee. »Bah.« Angewidert stellte er die Tasse zurück. »Das schmeckt ja wie destillierte Dachpappe.«
    »Woher weißt du denn, wie destillierte Dachpappe schmeckt?«
    »Bei uns zu Hause gab es nichts anderes. Wir waren bitterarm. Sonntags gab es ein hart gekochtes Ei für alle sieben Kinder. Das musste für die ganze Woche reichen.«
    »Och, das tut mir aber leid. Kein Wunder, dass du so schlecht in der Schule warst. Du konntest dich wahrscheinlich vor lauter Hunger nicht konzentrieren.«
    »Viel schlimmer. Der Lehrer hat mich immer rausgeworfen, weil mein Magen so laut knurrte, dass sich die anderen nicht konzentrieren konnten.«
    »Oje.«
    »Und du? Was für ein hartes Schicksal liegt hinter dir?«, fragte Felix, legte den Kopf schief und sah sie an. Dieser Blick. Er war ein bisschen spöttisch und sehr neugierig und sehr, sehr warm. Sophia fühlte, wie er durch ihre Brust drang und ihren ganzen Körper mit kribbelnder Wärme erfüllte, und dann stieg die Wärme aus ihrem Leib in ihren Kopf und brachte ihr Gesicht zum Glühen. Rosa, rot, violett. Zum Teufel aber auch!
    Zum Glück kam jetzt die Bedienung mit dem Lappen zurück und wischte zuerst Felix’ Untertasse trocken und dann die von Sophia.
    »Bitte schön, die Herrschaften«, sagte sie drohend, bevor sie sich wieder auf ihr Kreuzworträtsel stürzte.
    Was Sophia über Felix erfuhr: Er jobbte tagsüber im Media Markt und bereitete sich abends in einem Fernlehrgang aufs Abitur vor. Er spielte zweimal in der Woche Badminton und ging gern ins Kino. Er mochte Green Day, die Foo Fighters und Nirvana, von denen Sophia nur den Namen kannte. »Die sind auch uralt«, grinste Felix. »So wie ich.«
    Er war zwanzig, vier Jahre älter als Sophia. »Das ist doch nicht uralt!«, protestierte sie und dachte: Das ist perfekt. Zwanzig und sechzehn. Wir sind wie füreinander gemacht.
    »Und was hast du nach dem Abitur vor?«, fragte sie.
    »Ich will studieren.«
    »Was denn?«
    »Das erzähl ich dir erst, wenn wir uns besser kennen«, sagte Felix.
    Wenn wir uns besser kennen. Das klang vielversprechend. »Da bin ich aber neugierig«, sagte sie.
    »Wann musst du eigentlich zurück zur Schule?«, fragte Felix beiläufig.
    Sophia warf einen Blick auf ihre Armbanduhr. »Oh Mann!«, rief sie so laut, dass die Bedienung vor Schreck ihren Stift fallen ließ. »Ich hätte schon längst da sein
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