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Morgen wirst du sterben

Morgen wirst du sterben

Titel: Morgen wirst du sterben
Autoren: Gina Mayer
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schloss ihn wieder wie ein verendender Vogel.
    »Wolltest du nicht los?«, fragte Felix.
    Sie nickte, hob die Hand und rannte weg, ohne sich von ihm zu verabschieden.
    Die Physikstunde rauschte an ihr vorbei. Sie kniff sich abwechselnd mit der linken Hand in den rechten Arm und mit der rechten Hand in den linken Arm. Und dachte daran, dass Felix jetzt irgendwo rumhockte, die Zeit totschlug und genervt war.
    Kaffee trinken mit einer fetten Sechzehnjährigen, das Highlight des Tages.
    Und ich bin nicht einmal geduscht, dachte Sophia. In der Pause raste sie zurück in die Umkleide, wo sich eine kichernde Herde Fünftklässlerinnen gerade umzog. Sie riss sich die Bluse vom Leib und lehnte sich mit dem halben Oberkörper über ein Waschbecken, während sie gleichzeitig den Wasserhahn aufdrehte. Kaltes Wasser klatschte auf ihre Haare. Als sie erschrocken den Kopf zurückzog, knallte sie mit der Stirn gegen den Beckenrand. Nachdem sie sich mühsam aufgerichtet hatte, sah sie sich von Fünftklässlerinnen umringt, die sie mit offenen Mündern anstarrten. Und merkte, dass sie ihr Handtuch oben im Physiksaal vergessen hatte.
    »Kann mir eine von euch mal ihr Handtuch leihen?«, fragte sie die Mädchen.
    Keine der Schülerinnen antwortete. Sie wirkten auf einmal so verschreckt, als hätte Sophia eine Waffe gezogen.
    »Hier!« Sophia fischte einen Fünfeuroschein aus der Hosentasche und wedelte damit durch die Luft. »Den könnt ihr euch verdienen.«
    Eine kleine Schwarzhaarige nahm den Geldschein mit spitzen Fingern und reichte ihr dann ein Handtuch. Atemlos sah sie zu, wie Sophia sich abtrocknete.
    Es nützte nicht viel, Sophias Haare waren wie der Rest ihres Körpers: dick. Wilde, unzähmbare Locken. Wenn sie einmal nass waren, blieben sie nass.
    Sophia drückte das Handtuch der Schwarzhaarigen in die Hand und sprintete zurück ins Schulgebäude. Als sie oben im Physiksaal ankam, war sie bereits wieder vollkommen verschwitzt. Und hatte eine Beule an der Stirn.
    Noch zwanzig Minuten. Zehn. Fünf. Vier. Drei. In zwei Minuten erwartete sie Felix am Haupteingang der Schule. Der schöne, coole Felix, nach dem sich Luzie und Emily umgedreht hatten, wartete auf Sophia. Die vorhin auf dem Schulhof schon schlimm ausgesehen hatte, aber jetzt war alles noch viel schlimmer geworden. Jetzt lagen ihre Haare nass und schwer auf den Schultern, nur die oberste Schicht war trocken und kräuselte und drehte sich in alle Richtungen. Jetzt war die Beule ganz dick und rot.
    Ich gehe einfach nicht hin, dachte sie. Er wird zuerst ein bisschen sauer sein und dann sehr erleichtert. Ich gehe nicht hin, Moritz soll ihm morgen sagen, dass mir schlecht geworden ist. Sie packte nach dem Läuten ganz ruhig ihren Ordner in die Tasche und schob die Stifte ins Mäppchen. Und ging mit rasendem Herzen zur Treppe und Stufe um Stufe nach unten und trat ins Foyer und ging am Lehrerzimmer vorbei.
    Ich verdrücke mich in den Computerraum, beschloss sie, aber der Entschluss blieb in ihrem Kopf stecken, er kam irgendwie nicht bei ihren Füßen an. Denn ihre Füße gingen nicht zum Computerraum, sondern einfach weiter in Richtung Ausgang, durch die offene Tür nach draußen, und erst jetzt blieben sie stehen. Nun gab es kein Zurück mehr.
    Sophia schaute sich um. Felix war nicht da. Er hat mich versetzt, dachte sie. Die Aufregung fiel von ihr ab und machte einem Gefühl der Leere Platz. Na klar, dachte Sophia. Was hab ich denn erwartet.
    Da hörte sie die Hupe. Und dann sah sie ihn. Sein Wagen stand direkt vor dem Schultor, er winkte ihr aus dem offenen Fenster zu.
    »Sophia!«, rief er, und wieder hatte Sophia den Eindruck, dass alle Schüler die Köpfe drehten und in seine Richtung starrten. Sie winkte ebenfalls und spürte die Blicke jetzt auch auf ihrem Gesicht und genoss die Aufmerksamkeit.
    Sie ging ganz langsam auf den Wagen zu. Jeder einzelne Schritt fühlte sich verdammt gut an.
    Das Café war gar kein richtiges Café. Ein paar Stehtische in einer Bäckerei mit Kaffeeausschank. Sie waren die einzigen Gäste.
    Felix bestellte Latte macchiato, aber die Espressomaschine war gerade kaputt. »Gibt nur Filterkaffee«, sagte die Bedienung mürrisch. »Möchten Sie auch etwas essen?«
    »Nein danke«, sagte Sophia und Felix wollte auch nichts.
    Die Kellnerin verschwand hinter der Theke. Sie warf einen sehnsüchtigen Blick auf das Kreuzworträtsel, das sie wegen Sophia und Felix zur Seite gelegt hatte.
    Sophia schluckte. Das Hochgefühl, das sie vorhin noch empfunden
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