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Morgen wirst du sterben

Morgen wirst du sterben

Titel: Morgen wirst du sterben
Autoren: Gina Mayer
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sie mit Kreide an die Tafel geschrieben, die Christian noch am selben Morgen an die Küchenwand geschraubt hatte.
    »Das ist ja wie im Restaurant«, sagte er beeindruckt.
    Julie hatte eine Damasttischdecke aufgelegt. Darauf stand das zarte Porzellangeschirr ihrer Großmutter, das Marianne nie benutzt hatte, weil es nicht spülmaschinenfest war. Sie hatte frische Blumen besorgt und nach reiflicher Überlegung sogar eine Kerze angezündet.
    »Hoffentlich hält das Essen, was die Deko verspricht«, sagte Julie. »Du hast es dir jedenfalls redlich verdient. Weiß gar nicht, wie ich je wiedergutmachen kann, was du für mich getan hast.«
    Fast eine Woche lang hatte Christian für sie geschuftet. Nun waren alle Schränke aufgebaut und eingeräumt, der Herd und die Spüle waren angeschlossen, sogar die Art-déco-Lampe, die Julie bei eBay ersteigert hatte, hatte Christian installiert.
    Julie reichte ihm ein Glas Prosecco. »Prost. Auf dich und deine Meisterleistung.«
    »Auf deine Küche«, sagte Christian und versuchte ihr beim Anstoßen tief in die Augen zu sehen, sie konnte seinem Blick gerade noch ausweichen. Du liebe Zeit, das fing ja gut an. Vielleicht hätte sie sich doch lieber einen Monteur leisten sollen. Andererseits hatte sie sich von dem gesparten Geld schicke High Heels geholt, die ansonsten einfach nicht drin gewesen wären.
    »Bitte, nimm Platz«, sagte sie. »Was trinkst du zum Essen?«
    »Cola.«
    »Wie bitte?«
    »War nur ein Scherz. Was immer du vorschlägst.«
    »Dann mach ich einen Chardonnay auf.«
    Sie servierte die Vorspeise. Auf ihrem CD -Player lief David Garrett.
    Was ist das denn für eine Spießerveranstaltung?, hätte Marianne gesagt, wenn sie jetzt in die Küche gekommen wäre. Aber sie konnte nicht in die Küche kommen, sie hockte in Lohbrügge, in der kleinen, hässlichen, vollgestopften Hochparterre-Wohnung, in der Julie die ersten achtzehn Jahre ihres Lebens verbracht hatte. Dreiunddreißig Kilometer lagen zwischen ihr und Julie. Der Gedanke versetzte Julie so in Hochstimmung, dass sie ihr Weinglas in einem Zug leerte.
    Der Wein stieg ihr sofort zu Kopf. Sie hatte seit dem Frühstück kaum etwas gegessen. Sie schob ihr Glas zur Tischmitte. Christian verstand das als Aufforderung und schenkte ihr nach.
    »Und? Hast du dich gut hier eingelebt?«, fragte er.
    »Klar. Ich bin ja Hamburgerin, für mich ist das alles nicht wirklich neu. Und selbst?«
    »Ich find’s gut hier. Auch wenn ich von der Stadt bisher noch nicht viel gesehen habe.«
    »Dafür kennst du meine Küche in- und auswendig.«
    Er prostete ihr zu. »Vielleicht machst du ja mal eine Stadtführung für mich.«
    »Klar. Obwohl ich mich mit der Stadtgeschichte nicht sehr gut auskenne.«
    »Ich meinte auch eher das Nachtleben. Die Bars und so …«
    »Ach so. Wenn du willst, können wir nachher noch ausgehen.« War vielleicht gar keine so schlechte Idee. In einem Club war die Atmosphäre nicht so intim wie hier in der Wohnung.
    »Gerne.« Christian war begeistert.
    Julie servierte den Salat. Christian probierte und verdrehte die Augen.
    »Ganz köstlich. Du solltest echt ein Restaurant aufmachen.«
    »Mach ich wahrscheinlich später auch. Als arbeitslose Schauspielerin.«
    »Arbeitslos? Blödsinn. Du kommst ganz groß raus.«
    »Na, mal sehen. Ich hab mich heute übrigens beworben.«
    »Schon das erste Casting?«
    »Nee, ein Aushilfsjob in einer Boutique. Die Inhaberin war ganz angetan. Eigentlich wollte sie sich heute Abend noch melden.«
    »Ist doch erst acht«, meinte Christian. »Die arbeitet bestimmt noch.«
    Julie zuckte mit den Schultern. »Ich hoffe, die nimmt mich. Ich brauch die Kohle. Und ich hab keine Lust, mir für einen Aushilfsjob die Hacken wund zu laufen.«
    »Die nimmt dich. Garantiert. So wie du aussiehst.« Dem folgte wieder ein langer, bewundernder, sehnsüchtiger Blick, und Julie beeilte sich, das Thema zu wechseln.
    Nach dem Essen gingen sie tanzen. Julie übernahm den Eintritt im Club, dafür bestand Christian darauf, die Drinks zu bezahlen.
    Julie hatte schon zum Essen zu viel Wein getrunken, die Cocktails gaben ihr den Rest. Aber Christian ließ nicht locker, sobald ihr Glas leer war, stand er schon mit dem nächsten Caipirinha da. Und weil sie schwitzte, schüttete sie ihn in sich hinein. Und tanzte und schwitzte noch mehr und trank noch mehr und tanzte und schwitzte und trank.
    »Total geil hier!«, schrie Christian ihr zu und drückte ihr das vierte Glas in die Hand.
    Sie strahlte ihn an. Das war das
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