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Die Ameisen

Die Ameisen

Titel: Die Ameisen
Autoren: Bernard Werber
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1 DER ERWECKER
    Der Notar erklärte, das Haus sei als Baudenkmal eingestuft und während der Renaissance hätten Gelehrte darin gewohnt. Wer genau, wisse er nicht mehr.
    »Die Wohnung selbst ist ein wenig sonderbar, es handelt sich nämlich um ein Kellergeschoß. Aber alle Achtung, sie ist geräumig! Zweihundert Quadratmeter!«
    Sie stiegen die Treppe hinunter, gelangten in einen dunklen Flur, in dem der Notar lange herumtappte, bis er hervorstieß:
    »Ah, verflixt! Das funktioniert nicht.«
    Sie drangen in die Finsternis vor, tasteten sich geräuschvoll an den Wänden entlang. Als der Notar endlich die Tür gefunden, sie geöffnet und, diesmal erfolgreich, auf den Lichtschalter gedrückt hatte, sah er, daß sein Klient blaß geworden war.
    »Stimmt etwas nicht, Monsieur Wells?«
    »Eine Art Phobie. Nicht so schlimm.«
    »Angst vor der Dunkelheit?«
    »Genau. Aber es geht schon wieder.«
    Sie besichtigten die Räumlichkeiten. Obwohl die Wohnung nur durch einige schmale und in Höhe der Decke gelegene Kellerfenster mit der Außenwelt verbunden war, gefiel sie Jonathan.
    Sämtliche Wände waren in einem einheitlichen Grau tapeziert, und überall war Staub … Aber er wollte nicht mäkelig sein.
    Die Wohnung, in der er zur Zeit wohnte, war nur ein Fünftel so groß. Außerdem verfügte er nicht über die Mittel, künftig die Miete zu zahlen: Das Schlüsseldienstunternehmen, für das er arbeitete, hatte vor kurzem beschlossen, auf seine Dienste zu verzichten.
    Diese Hinterlassenschaft seines Onkels Edmond war wirklich ein Glücksfall. Zwei Tage später zog er mit seiner Frau Lucie, seinem Sohn Nicolas und ihrem Hund Ouarzazate, einem geschorenen Zwergpudel, in das Haus Nummer 3 an der Rue des Sybarites ein.
    »Ich finde das gar nicht so schlecht«, erklärte Lucie und reckte ihren dichten roten Haarschopf hoch. »Bei den grauen Wänden hier können wir uns so einrichten, wie wir wollen.
    Hier muß alles neu gemacht werden. Als müßte man ein Gefängnis in ein Hotel verwandeln.«
    »Wo ist mein Zimmer?« fragte Nicolas.
    »Hinten rechts.«
    »Wuff, wuff«, machte der Hund und begann nach Lucies Waden zu schnappen, ohne zu berücksichtigen, daß sie das Hochzeitsgeschirr auf dem Arm hatte.
    Aus diesem Grund wurde er prompt in die Toilette geschickt und eingesperrt, denn er schaffte es, zur Türklinke hochzuspringen und sie herunterzudrücken.
    »Kanntest du den gut, deinen spendablen Onkel?« fragte Lucie.
    »Onkel Edmond? Nein, ich kann mich nur erinnern, daße r mich wie ein Flugzeug durch die Luft gewirbelt hat, als ich ganz klein war. Einmal hatte ich solche Angst, daß ich ihn vollgepinkelt habe.«
    Sie lachten.
    »Warst schon immer ein Angsthase, was?« neckte ihn Lucie.
    Jonathan tat so, als hätte er nichts gehört.
    »Er war mir nicht böse. Er hat bloß zu meiner Mutter gesagt:
    ›Schön, jetzt wissen wir wenigstens, daß aus ihm nie ein Flieger wird …‹ Später hat mir Mama immer erzählt, daß er meine Entwicklung aufmerksam verfolgt hat, aber ich habe ihn nie mehr wiedergesehen.«
    »Was war er von Beruf?«
    »Er war Wissenschaftler. Biologe, glaube ich.«
    Jonathan blickte nachdenklich drein. Im Grunde war ihm sein Wohltäter vollkommen unbekannt. 6 km davon entfernt: BEL-O-KAN,
     
    1 Meter hoch
    50 Etagen unterhalb der Erde
    50 Etagen über der Erde Größte Stadt der Region Geschätzte Einwohnerzahl: 18 Millionen
     
    Jährliche Produktion:
     50 Liter Blattlaushonigtau
    10 Liter Schildlaushonigtau
    4 Kilogramm Lamellenpilze Kiesausstoß: 1 Tonne Benutzbare Gänge: 120 km Fläche am Boden: 2m2
     
    Ein Sonnenstrahl ist eingedrungen. Ein Bein hat sich bewegt.
    Die erste Bewegung seit Beginn des Winterschlafs vor drei Monaten. Ein anderes Bein, das in zwei Krallen endet, die sich allmählich spreizen, rückt langsam vor. Ein drittes entspannt sich. Dann ein Thorax. Dann ein Wesen. Dann zwölf Wesen.
    Sie zittern, um ihr durchsichtiges Blut durch das Netz ihrer Adern zirkulieren zu lassen. Es geht von zähflüssigem in likör-artigen, dann in flüssigen Zustand über. Nach und nach setzt sich die kardiale Pumpe wieder in Gang. Sie treibt den Lebenssaft bis in die Enden der Glieder. Die Biomechanismen erwärmen sich. Die hyperkomplexen Gelenke drehen sich.
    Überall verschieben sich die Kniescheiben mit ihren schützenden Platten, um ihre äußerste Biegung zu finden.
    Sie stehen auf. Ihre Körper schöpfen Luft. Ihre Bewegungen sind langsam, entstellt. Ein Zeitlupentanz. Sie räkeln sich leicht,
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