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Morgaine 1 - Das Tor von Ivrel

Morgaine 1 - Das Tor von Ivrel

Titel: Morgaine 1 - Das Tor von Ivrel
Autoren: C.J. Cherryh
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wollte seinem Vater Nhi Rijan nicht unter die Augen treten: es bedurfte des gewaltsamen Zugriffs mehrerer Myya, um ihn in den fackelerleuchteten Raum zu drängen, in dem es so stark nach Feuer und Furcht roch. Selbst jetzt wagte er seinem Vater nicht in die Augen zu blicken, sondern ließ sich mit dem Gesicht nach unten zu Boden fallen, drückte die Stirn auf die kalten Steinfliesen und verharrte reglos, während sich Rijan um seinen überlebenden Erben kümmerte. Nhi Erij war schwerverletzt; das scharfe Langschwert hatte ihm die Finger der rechten Hand, seiner Schwerthand, fast völlig abgetrennt, und schwitzende Priester und der alte San Romen bemühten sich um den stöhnenden Prinzen und versuchten seine Schmerzen mit Tränken und Umschlägen zu lindern, während sie die beschädigten Gliedmaßen behandelten. – Nhi Kandrys hatte nicht soviel Glück gehabt. Um seinen Kopf zog sich eine rote Schnur, die bis zum Begräbnis seine Seele im Körper halten sollte; der Tote lag zwischen Totenlichtern auf einer zweiten Bank in der Waffenkammer.
    Eisen berührte zischend die Haut, und Erij unterdrückte einen Schrei. Vanye zuckte zusammen. Es roch unangenehm nach verbranntem Fleisch. Endlich wurde Erijs Stöhnen leiser; der angereicherte Wein begann seine Wirkung zu tun. Vanye hob den Kopf in der Angst, daß dieser Bruder auch tot sein könnte – manche starben bei der Behandlung am Schock und an der Wirkung des Betäubungsmittels im Wein. Aber sein Halbbruder atmete noch.
    Nhi Rijan schlug mit der vollen Kraft seines Arms zu, und Vanye stürzte haltlos und betäubt zu Boden. Es brummte in seinem Kopf, als er sich zu Füßen seines Vaters hastig in kniende Stellung aufrappelte.
    »Chya-Mörder!« sagte sein Vater. »Mein Fluch, mein Fluch über dich!« Und er weinte. Dies schmerzte Vanye noch mehr als der Schlag. Er hob den Blick und stieß auf einen Ausdruck abgrundtiefen Ekels. Er hatte nicht gewußt, daß Nhi Rija überhaupt weinen konnte.
    »Wenn ich nur eine Stunde über deine Zeugung nachgedacht hätte, Bankert-Sohn, hätte ich darauf verzichtet, mit einer Chya einen Sohn zu haben. Chya und Nhi – das ist eine schlechte Mischung. Ich wünschte, ich wäre klüger gewesen.«
    »Ich habe mich nur gewehrt«, protestierte Vanye mit geschwollenen Lippen. »Kandrys war auf Blut aus – schau…« Und er zeigte seine Seite, wo die leichte Trainingsrüstung blutig und zerrissen war. Aber sein Vater wandte das Gesicht von diesem Anblick ab.
    »Kandrys war mein Ältester«, sagte er. »Du warst das Vergnügen eines Abends, weiter nichts. Für diese Nacht habe ich nun teuer bezahlt. Aber ich nahm dich ins Haus. Das war ich deiner Mutter schuldig, die das Pech hatte, bei deiner Geburt zu sterben. Auch ihr hast du den Tod gebracht. Ich hätte wissen müssen, daß du verflucht bist. Kandrys tot, Erij verstümmelt – und das alles wegen deiner Sorte, Bankert! Hast du dir Hoffnung gemacht, Erbe Nhis zu sein, wenn beide tot sind – war es das?«
    »Vater!« schluchzte Vanye. »Sie wollten mich töten!« 
    »Nein. Vielleicht wollten sie deine Arroganz dämpfen – das kann sein. Aber töten wollten sie dich nicht. Nein.
Du
bist hier derjenige, der getötet hat. Der gemordet hat. Du hast beim Übungsgang deinen Brüdern die scharfe Klinge zugewendet – dabei war Erij nicht einmal bewaffnet! Tatsache ist, daß du lebst, mein Ältester aber nicht – und ich wünschte, es wäre umgekehrt.
    Chya-Bastard! Ich hätte dich nie ins Haus nehmen sollen, niemals!«
    »Vater!« rief er, doch Nhi Rijans Handrücken zerschlug das Wort und ließ ihn das Blut von seinen Lippen wischen. Vanye krümmte sich wieder und weinte weiter.
    »Was soll ich nur mit dir tun?« fragte Rijan endlich.
    »Ich weiß es nicht«, sagte Vanye.
    »Ein Mann trägt seine Ehre in sich. Er weiß so etwas.« Vanye hob den Blick. Er fühlte sich zittrig, krank. Auf die Worte seines Vaters konnte er nicht antworten. Sich in die eigene Klinge zu stürzen und zu sterben – das verlangte sein Vater von ihm. Liebe und Haß waren so verdreht in ihm, daß er sich entzweigerissen vorkam, Tränen blendeten ihn, verstärkten seine Scham.
    »Wirst du es tun?« fragte Rijan.
    Es war der Ehrenkodex der Nhi. Aber das Chya-Blut war in ihm ebenfalls stark vertreten, und die Chya liebten das Leben zu sehr.
    Die Stille lag schwer im Raum.
    »Ein Nhi kann keinen Nhi umbringen«, sagte Rijan endlich.
    »Du wirst uns also verlassen.«
    »Ich wollte ihn nicht töten.«
    »Du bist ein
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