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Morgaine 1 - Das Tor von Ivrel

Morgaine 1 - Das Tor von Ivrel

Titel: Morgaine 1 - Das Tor von Ivrel
Autoren: C.J. Cherryh
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anziehen wie Honig die Fliegen. Solche Überlegungen, wie Erij sie zweifellos anstellte, waren unehrenhaft, paßten aber besser in die dunkle Nacht als in das Licht eines so schönen Tages.
    »Als Bastard, der du bist«, sagte Erij, »könntest du dich zur Gefahr für mich auswachsen, sollte dir der Sinn danach stehen. Es gibt keinen Lord in Chya. Ich muß daran denken, Bastardbruder, daß du ja der Erbe von Chya bist, würdest du diesen Anspruch erheben, und daß kein Lord zum
ilin
gemacht werden kann.«
    »Ich habe noch keine Ansprüche auf Chya erhoben«, sagte Vanye. »Ich glaube nicht, daß mir das zustände, außerdem habe ich nicht die Absicht.«
    »Dort will man lieber dich als mich, kein Zweifel«, sagte Erij. »Außerdem bist du der gefährlichste Mann für mich in Andur-Kursh, solange du lebst.«
    »Das stimmt nicht«, sagte Vanye, »denn ich halte meinen Eid. Aber du wertest deine eigene Ehre nicht hoch genug, um der meinen zu trauen.«
    »In Hjemur hast du deinen Schwur aber nicht gehalten.«
    »Dir drohte von Morgaine keine Gefahr. Das brauchte ich auch gar nicht.«
    Erij musterte ihn eine Zeitlang von der Seite und streckte seinem Bruder schließlich den Arm hin. »Gib mir die Hand«, sagte er. Verwirrt ließ sich Vanye auf den linkshändigen Griff ein. Sein Bruder drückte ihm beinahe freundschaftlich die Hand.
    »So, und nun reite los«, sagte Erij. »Sollte ich je wieder von dir hören, lasse ich dich jagen… solltest du je nach Morija zurückkehren, lasse ich dich das Jahr abarbeiten, das du mir schuldest. Aber ich glaube nicht, daß du dich in Morija wieder blicken läßt.«
    Er deutete mit einer Kopfbewegung die Straße entlang. »Geh – wenn sie dich nimmt.«
    Vanye starrte ihn an, packte noch einmal die kräftige trockene Hand des Bruders und ließ los.
    Dann spornte er sein Pferd an und schlug sich den Gedanken aus dem Kopf, daß er ja waffenlos war und daß Morgaine seit dem Vormittag einen großen Vorsprung herausgeritten hatte.
    Diese Distanz mußte er wieder verringern. Er würde sie finden. Erst viel später merkte er zu seinem Kummer, daß er nicht zu seinem Bruder zurückgeblickt hatte, daß er das lose Band zwischen ihnen völlig durchschlagen und dabei nicht die Hälfte des Schmerzes verspürt hatte, die Erij nach der Trennung empfinden mußte.
    Mit diesem Verlust, so überlegte er, hatte Erij seine Schuld voll abgetragen; er wünschte, er hätte Worte des Dankes gefunden.
    Erij hätte sich darüber lustig gemacht.
    Er fand sie nicht. Am zweiten Tag bog Vanye von dem Weg ab, den er mit Erij benutzt hatte, und folgte der Strecke, auf der Liell von Ivrel her gekommen war, eine Abzweigung, die sicher auch Morgaine genommen hatte. Ivrel war bereits ziemlich nahe, und er hatte keine Zeit mehr zum Rasten, auch wenn ihm der ganze Körper weh tat und das Pferd schon keuchend atmete, so daß er an steileren Stellen absteigen und das Tier halb den Berg hinaufziehen mußte. Solche Verzögerungen belasteten ihn sehr, und er begann schon zu fürchten, daß er sich verirrt hatte, daß er Morgaine ein- für allemal verlieren würde.
    Doch als er endlich, endlich, die Anhöhe erreichte, wurde Ivrels mächtige Flanke sichtbar und die kahle Schulter des Berges, auf der sich das Tor erheben mußte. Er spornte den Schwarzen bis zum äußersten an und stieg weiter empor, manchmal das Ziel aus den Augen verlierend, es dann wiederfindend, bis er den Wald aus verdorrten Pinien erreichte, der den Berg völlig verdeckte.
    Im Schnee die Fährten vieler Männer und Tiere; bei einigen dachte man lieber nicht zu gründlich darüber nach, woher sie stammten, doch von Zeit zu Zeit vermochte er frische Spuren auszumachen.
    Vermutlich Roh-Liell-Zri auf der schwarzen Stute, dann Morgaine auf seiner Spur.
    Vanyes Atem hing gefroren im Sonnenlicht, die kalte Luft schmerzte in den Lungen. Nun mußte er doch Erbarmen mit dem Pferd haben und es am Zügel führen. Mit den Blicken suchte er die kränkelnd-schwarzen Pinien ab und wurde allzusehr daran erinnert, daß er ja keine Waffe mehr hatte, und ein Pferd, das für eine eilige Flucht viel zu erschöpft war.
    Dann bemerkte er zwischen den Pinien eine Bewegung, etwas Weißes, das sich im Sonnenschein rührte, und er trieb das Pferd an und forderte ihm das Letzte ab.
    »Halt!« rief er.
    Sie wartete. Er zügelte sein Tier neben ihr, atemlos vor Erleichterung, und sie beugte sich aus dem Sattel und griff nach seiner Hand.
    »Vanye, Vanye, du hättest mir nicht folgen
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