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Morgaine 1 - Das Tor von Ivrel

Morgaine 1 - Das Tor von Ivrel

Titel: Morgaine 1 - Das Tor von Ivrel
Autoren: C.J. Cherryh
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und an diesem verfluchten Ort aus toten Bäumen und Schnee durchaus zu Hause.
    »Ich kenne eine Stelle«, sagte sie, »wo wir vor dem Wind geschützt sind. Kommt.«
    Sie wandte den Kopf des Grauen nach Süden, in die Richtung, in der sein Ziel lag, so daß er nicht wußte, wohin er sich sonst wenden sollte. Wie im Traum folgte er ihr. Die Dämmerung verdichtete sich, beschleunigt durch den Wolkenschleier, der sich über den Himmel streckte. Die gespenstisch helle Gestalt Morgaines wehte vor ihm dahin, während die Hufe des Grauen deutlich hörbar in den verharschten Schnee einbrachen und Spuren hinterließen.
    Sie umrundeten den Fuß des Hügels und scheuchten dort eine kleine Herde Rehwild auf, die am Bach
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äste. Es war das erste Wild, das er seit Tagen zu Gesicht bekam. Trotz der Umstände griff er nach seinem Bogen.
    Doch ehe er ihn spannen konnte, blitzte in Morgaines ausgestreckter Hand ein Licht auf, und ein Rehbock sank tot zu Boden. Die anderen flohen.
    Morgaine deutete auf einen Berghang zur Rechten. »Dort liegt eine geschützte Höhle. Ich kenne sie. Nehmt alles Fleisch, das wir brauchen; der Rest gehört den kleineren Jägern.«
    Sie ritt den Hang hinauf. Er griff nach seinem Jagdmesser und machte Anstalten, ihren Auftrag auszuführen, so wenig ihm das gefiel. Das Tier wies keine Wunden auf; nur aus den Nüstern war ein wenig Blut geströmt und befleckte den Schnee, und das Rot im Schnee brachte plötzlich den Traum zurück und ließ ihn erschaudern. Er hatte keinen Appetit auf ein Wesen, das so getötet worden war; der gehörnte Kopf mit den weit aufgerissenen Augen schien ebenso verhext zu sein wie er – auch er ein unwilliger Träumer.
    Er warf einen Blick über die Schulter. Morgaine stand am Hang, die Zügel des Grauen haltend, ihn beobachtend. Die ersten Schneeflocken trieben im Wind dahin.
    Er machte sich mit dem Messer ans Werk und mied den Blick der toten Augen.

2
    Ein Feuer flackerte in der Öffnung der kurzen Höhle und erzeugte eine Wand der Wärme zwischen ihnen und dem fallenden Schnee. Er wollte das Fleisch nicht, doch schwächte ihn seit Tagen der Hunger, bis die Gelenke schmerzten und die geringste Anstrengung seine Muskeln zum Zittern brachte. Er mußte sich setzen und die Bratendünste aushalten, und als sie das Fleisch gar hatte und ihm ein Stück anbot, sah es nicht anders aus als anderes Fleisch und roch so unendlich gut, daß sein leerer Magen alle anderen Skrupel überwand. Man konnte seine Seele nicht über einem Stück Wild verlieren, egal wie das Tier getötet worden war.
    Draußen herrschte Nacht. Ab und zu drang eine Schneeflocke, von heftigem Wind getrieben, durch die Hitzebarriere des Feuers. Draußen standen die beiden Pferde, das Hexenpferd und der gewöhnliche Braune, die Hinterteile in den Wind gekehrt, und als das heiße Fleisch Vanye beruhigt und gekräftigt hatte, nahm er eine Portion des restlichen Korns, ging nach draußen und verfütterte es zu gleichen Teilen an die Tiere. Der Graue, aus jener berühmten Rasse der Baien – so hieß es in den Liedern –, beschnüffelte seine Hand nicht weniger eifrig und warm als seine eigene kleine Stute. Die Schönheit des großen grauen Hengstes rührte sein Herz. Eine Minute lang vergaß er das Böse in der Erscheinung und strich über die helle Mähne und starrte in die großen Augen mit den hellen Lidern und dachte (die Nhi waren vorzügliche Pferdezüchter), daß ihm schon viel daran liegen würde, Nachkommen dieses schönen Tiers zu besitzen: es handelte sich um die Rasse der untergegangenen Hochkönige von Andur, ihre großen grauen Pferde. Aber es gab keine Hochkönige mehr, nur noch die Lords der Klans; und die Rasse war mit dem Glanz von Andur untergegangen.
    Von den großen Königen war nur der Hjemur-Lord geblieben, der sich jedoch sehr von den mutigen Königen aus dem goldenen Korissith und Baien unterschied, jenes Menschenschlages außerhalb der Klans, eine größere Gattung. Etwas Älteres, Düsteres hatte sich zu regen begonnen, als der Hjemur-Lord an die Macht kam, und mehr als eine Armee war hinmarschiert und in Irien gestorben.
    Bei diesem Gedanken erschauderte er im eiskalten Wind und kehrte an das Feuer zurück, zum Zentrum aller Dinge, die ihn unnatürlich berührten, an das Feuer, wo Morgaine sich in ihre schneeweißen Pelze gewickelt hatte, daneben das Geschirr ihres Pferdes und die Drachenklinge, die in der einfachen Scheide schimmerte. Die Stille zwischen ihnen war so tief wie das Schweigen
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