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Morgaine 1 - Das Tor von Ivrel

Morgaine 1 - Das Tor von Ivrel

Titel: Morgaine 1 - Das Tor von Ivrel
Autoren: C.J. Cherryh
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gerastet, und in der letzten Nacht schon gar nicht.
    »Vanye«, sagte sie.
    »Lady?«
    »Kommt zum Feuer. Ich muß Euch Fragen stellen.«
    Er kam der Aufforderung nach, allerdings nicht gerade freudig, wickelte sich in seinen dünnen Mantel, setzte sich ans Feuer und genoß die Hitze. Pelzumhüllt saß sie da, das Gesicht in den Schatten, und starrte in seine Augen.
    »Heln fand dieses Versteck«, sagte sie. »Ein Jäger, den ich nicht umbrachte, sagte es ihm. Ganz Aenor-Pyvvn griff daraufhin zu den Waffen. Eine Armee machte sich an die Verfolgung…« Sie lachte; es war kaum mehr als ein Atemhauch. »Eine ganze Armee, die diese kleine Höhle erobern sollte. Natürlich wußte ich, daß sie kamen. Wie auch nicht? Das Gebiet im Süden war von Soldaten förmlich überflutet – doch es war eine knappe Flucht. Aber sie wagten sich sogar in das Tal der Steine; daraufhin floh ich an einen Ort, den sie nicht aufsuchen konnten – nicht aufsuchen wollten. Und dort mußte ich warten, bis mich jemand befreite. Ich bin nicht älter; ich weiß nichts von den Jahren. Aber gewisse Dinge sind zu Staub geworden, sonst würde es den Pferden und uns heute abend besser gehen. Ihr habt Angst vor mir…«
    Das stimmte, kein Zweifel: von einem Mann, der sein Feind war, hätte er diese Worte nicht geduldet; Morgaine fürchtete er, ohne sich zu schämen. Sein Herz begann schmerzhaft zu schlagen unter jedem direkten Blick dieser unmenschlichen grauen Augen. Wenn er nicht wüßte, daß er mit Gewißheit sterben würde, wäre er aus der engen Höhle, aus ihrer Gesellschaft geflohen; aber da war der Sturm. Er heulte mit der vollen Kraft des Winters. Vanye kannte die Berge. Manchmal schneite es tagelang. Menschen, die sich nicht zu schützen wußten, starben und tauchten im Frühling als verkrümmte, steife Gestalten im schmelzenden Schnee wieder auf, zusammen mit toten Pferden und Rehen, die die Wölfe irgendwie verfehlt hatten.
    »Worte zwischen uns richten keinen Schaden an«, sagte sie und bot ihm Wein aus ihrer Flasche. Er griff nur zögernd zu, aber die Nacht war kalt, und er hatte bereits das Fleisch mit ihr geteilt. Er trank ein wenig und gab die Flasche zurück. Sorgfältig wischte sie den Hals ab, trank ebenfalls und schloß das Gefäß wieder.
    »Ich bitte Euch, erzählt mir das Ende meiner Geschichte«, sagte sie. »Ich weiß nichts davon. Was wurde aus den Menschen, die ich kannte? Was habe ich getan?«
    Er starrte in ihre Augen, die Augen dieses schlimmsten aller Feinde von Andur-Kursh, in die Augen der verräterischen Kriegsherrin, die zehntausend Männer in den Tod geschickt und die Hälfte der Mittelländer vernichtet hatte. Aber diese Worte kamen nicht über seine Lippen. Jemand anderem gegenüber hätte er sie ohne weiteres ausgesprochen, aber in ihrem hellen und ungeschützten Gesicht war etwas, das sich ihm öffnete, das den Fluch in seinem Hals ersterben ließ.
    Er fand überhaupt keine Worte.
    »Meine Geschichte scheint ja kein angenehmes Ende zu haben«, fuhr sie fort, »wenn du sie mir nicht erzählen willst. Aber du mußt, Nhi Vanye!«
    »Es gibt nichts mehr zu erzählen«, sagte er. »Nach Irien, nach der schlimmen Niederlage für Andur-Kursh, eroberte Hjemur Koris, machte sich alle Länder östlich der Alis Kaje Untertan. Du warst nicht aufzufinden, nicht nach der wilden Jagd der Aenorin auf dich. Du verschwandest. Die Verbündeten, die du noch hattest, kapitulierten. Alle, die dir gefolgt waren, starben. Es heißt, es habe zu deiner Zeit in Süd-Koris wohlhabende Dörfer und Städte gegeben. Sie sind nicht mehr. Das Gebiet dort ist öde wie diese Berge. Und Irien selbst ist verwunschenes Land, und niemand wagt sich dorthin, nicht einmal Hjemurs Leute. Es heißt«, fügte er hinzu, »der Thiye, der jetzt herrscht, sei derselbe wie schon damals. Ich weiß nicht, ob das stimmt. Der Hjemur-Lord hat schon immer Thiye-Thiyessohn geheißen. Aber das Landvolk behauptet, es sei derselbe Mann, der sich hundert Jahre lang jung gehalten habe.«
    »Möglich ist es«, sagte sie mit leiser, freudloser Stimme. »Und das wäre schon alles«, sagte er. »Alle sind tot.« Und er verbannte aus seinen Gedanken ihre Worte über Thiye, denn ihm wollte scheinen, daß sie ja den lebendigen Beweis dafür darstellte, daß so etwas möglich war, etwas, wofür er gar keine Erklärung hören wollte. Er mußte diese Höhle mit ihr teilen; mehr wollte er nicht.
    Sie ließ ihn in Ruhe, stellte nun keine weiteren Fragen, und er zog sich auf die
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