Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Morgaine 1 - Das Tor von Ivrel

Morgaine 1 - Das Tor von Ivrel

Titel: Morgaine 1 - Das Tor von Ivrel
Autoren: C.J. Cherryh
Vom Netzwerk:
andere Seite des Feuers zurück und legte sich wieder schlafen.
    Der Morgen kam, bedrückend grau und noch immer von Schneewirbeln erfüllt. Doch nach kurzer Zeit rissen die Wolken auf, was Vanyes Herz erfreute. Er hatte eines jener tagelangen Unwetter befürchtet, das ihn in der unwillkommenen Gesellschaft festhalten würde, während die armen Pferde im Freien erfroren.
    Morgaine briet zum Frühstück Fleischstreifen und bot ihm wieder einen Schluck Wein an. Er nahm das dampfende Fleisch in die Hand, schnitt gegen seinen Daumen Bissen davon ab und beobachtete mit einer gewissen Belustigung, wie sie ihre Portion ungeschicktanmutig in Stücke teilte, jeden Bissen säuberte und untersuchte und dann weiterbriet und zum Essen von der Dolchspitze löste – winzige Stücke.
    Schließlich wickelte er den Rest in ein Stück Leder, das er zu diesem Zweck in seiner Ausrüstung mitführte.
    »Willst du nicht ein bißchen behalten?« fragte er. »Oder nimmst du alles?«
    »Was bedeutet das weiße Tuch?« fragte sie.
    Er schluckte den letzten Bissen hinunter, als wäre er in seinem Mund zu Staub geworden. Sofort war ihm übel von dem Mahl, das er bereits im Magen hatte.
    »Ich bin
ilin«,
sagte er.
    »Ihr habt mit mir übernachtet, habt meine Nahrung genommen«, sagte sie. »Und die Chya aus Koris haben mir Klanwillkommen entboten und mir das Lordrecht gegeben,
ilin.«
    Er neigte den Kopf zu Boden. Sie sprach die Wahrheit; als einzige Frau konnte diesen Anspruch Morgaine erheben, die Vernichterin ganzer Armeen. Er zürnte mit sich selbst, während sich sein Magen noch vor Angst verkrampfte; er hatte gar nicht daran gedacht, weil sie eben eine Frau war; er hatte an ihrem Feuer Schutz gesucht als wäre sie eine Bauernfrau aus Aenor. Solche Menschen konnten gegenüber einem
ilin
keine Ansprüche stellen.
    Morgaine aber bildete eine Ausnahme.
    »Ich erbitte Verschonung«, sagte er in der geneigten Stellung. Er hatte das Recht zu dieser Bitte und schämte sich nicht, sie zu äußern. Er wagte es, Morgaine anzusehen. »Ich habe in Aenor-Pywn Verwandte. Mein Ziel liegt dort. Lady, ich bin verbannt aus jeder Provinz von Morija – ich wage nicht dorthin zurückzukehren. So kann ich kaum jemandem nützen.« Er setzte den Helm ab – er hatte ihn aufgesetzt, um in die Kälte hinauszugehen – und tat etwas, das er nicht einmal beim Schlafengehen getan hatte: er öffnete seine Kappe am Hals und entblößte die Schande des kurzgeschnittenen Haars, das hellbraun über Ohren und Stirn fiel. »Ich bin in meinem Klan geächtet: die Nhi und die Myya machen Jagd auf mich. So wurde ich
ilin.
Unterschlupf finde ich nur in Aenor-Pyvvn, wohin du nicht gehen kannst, wie du selbst gesagt hast.«
    »Wofür wurde Euch dies angetan?« fragte sie, und er erkannte, daß es ihm gelungen war, sogar Morgaine zu schockieren.
    »Für einen Mord, für das Töten eines Bruders.« Er hatte seine Geschichte noch niemandem offenbart, war noch auf dem Lande den Menschen aus dem Weg gegangen. Die Worte kamen ihm nur stockend über die Lippen. »Er zwang mir den Kampf auf, Lady, aber ich brachte meinen Bruder um – meinen Halbbruder. Er war Myya. Das wären also zwei Klans mit einer Blutschuld gegenüber mir – ich kann dir wirklich nicht helfen. Ich bin dankbar für die Unterkunft: aber es bringt dir nichts, wenn du meine Dienste beanspruchst. Sag mir einen vernünftigen Dienst, den ich dir erweisen kann, dann will ich meine Schuld damit abtragen. Hier kannst du nicht bleiben, in jeder Siedlung von Andur-Kursh liegt ein Fluch auf dir, niemand, der deinen Namen hört oder dich sieht, wird dir das Leben schenken. Hör zu, obwohl du Morgaine bist, hast du mich entgegenkommend behandelt, und ich gebe dir dafür einen guten Rat: der Paß südlich von hier führt durch Aenor, das ist meine Richtung. Ich führe dich irgendwie durch dieses Land. Ich geleite dich in die Zonen südlich von Aenor, wo es warm ist, nach Erpel, auf die Ebenen von Lun. Die Menschen, die dort leben, sind ungezähmt, aber wenigstens leben sie nicht in Blutfehde mit dir, du kannst dort ungeschoren verweilen. Hör auf meinen Rat, laß mich dir diesen Dank abstatten. Das ist das Beste, was ich für dich tun kann, und darum will ich mich ehrlich bemühen, ohne dir etwas nachzutragen.«
    »Ich lehne deine Verschonung ab«, sagte sie, und das war ihr Recht.
    Er fluchte, äußerte häßliche Worte, doch auch tränenerstickt. Er ließ sie sitzen, ging ins Freie und legte die Hände an den Halfter seines
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher