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Mordskind: Kriminalroman (German Edition)

Mordskind: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Mordskind: Kriminalroman (German Edition)
Autoren: Susanne Mischke
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werden jedes Jahr größer, dachte Paula, und fühlte einen Kloß in der Kehle.
    »Das Dumme ist«, sagte sie mit belegter Stimme, »das letzte Mal kam sie abends um acht, und ich war nicht da. Die kleine Katharina Lampert war babysitten. Sie ist doch erst vierzehn und sieht aus wie zwölf. Müssen Babysitter nicht mindestens sechzehn sein?«
    »Keine Ahnung«, gestand Doris, und leise fügte sie hinzu: »Zu Max kommt sowieso niemand.«
    Paula sagte nichts dazu. Sie beobachtete die beiden Jungen. Simon grub ein Loch in den nassen Sand. Ein kleines Grab, durchzuckte es Paula, ein Vogelgrab. Ärgerlich fuhr sie sich mit der Hand über die Stirn, als könne sie damit ihre Gedanken wegscheuchen. Verdammt, warum muß ich ständig solches Zeug denken? Es ist ein Loch im Sand, nichts anderes. Ein ganz normales Loch!
    Max stand auf den dicken unteren Ästen einer Buche, weißblonde Locken umrahmten sein rundes, rosiges Gesicht mit den vergißmeinnichtblauen Augen. Wie eine Putte, dachte Paula, eine kleine, fette Putte, ausgeschnitten aus einer Haferbreipackung.
    Max, er war in Wirklichkeit nicht dick, lediglich von kerniger Statur, kletterte höher und warf kleine Äste nach Simon, die der Wind von ihrem Ziel wegtrieb. Die Krähe erhob sich schreiend.
    »Pch! Pch!« Max streckte den Arm in ihre Richtung und sandte ihr ein paar Schußgeräusche hinterher. Sein dunkelroter Anorak verschmolz nun beinahe mit dem blutroten Laub, man konnte ihn auf den ersten Blick kaum finden. War er nicht schon ziemlich weit oben? Es schien Paula an der Zeit für ein paar warnende mütterliche Worte. Sie sah Doris an, aber die hatte den Kopf gesenkt und drehte nachdenklich ihr meerblaues Halstuch in den Händen. Ihre Augen waren ebenso blau und leer.
    »Wenn man nur wüßte, was der Schönhaar nicht paßt«, sagte Doris schließlich in die Stille hinein, und Paula wunderte sich, daß Doris den Namen dieser Person kannte. »Simon ist doch ein ausgesprochen liebes Kind. Und du bist eine gute Mutter. Auf deine Art.«
    »Auf meine Art?«
    »Ich meine, du bist vielleicht nicht gerade die Vorzeigemutter aus dem Eltern -Heft.«
    » Die wollte ich auch nie sein«, sagte Paula mit Überzeugung. »Auch wenn man mir das übelnimmt.« Sie wußte sehr wohl, daß die anderen Mütter über sie tratschten.
    »Du bist eben nicht der Typ für die Kleinstadt«, lenkte Doris ein. »Welche dieser Mütter geht schon mit ihrem Kind allein in ein Feinschmeckerlokal, noch dazu am Abend? Und welche von denen bringt ihr Kind mit dem Motorrad in den Kindergarten?«
    »Es sind die seltenen Gelegenheiten, bei denen Simon freiwillig stillsitzt.« Paula lächelte über sich selbst. Das Motorradfahren hatte Doris einmal als Paulas ›etwas kindischen Versuch, trotz Mutterschaft nicht als angepaßt zu gelten‹, bezeichnet. Auf gewisse Weise hatte Doris sogar recht damit. Paulas Bestrebungen, ihre Abneigung gegenüber allem Kleinbürgerlichen auszudrücken, nahmen manchmal reichlich groteske Formen an.
    Doris wies mit einer vagen Kopfbewegung in Richtung Ziegeleiberg: »Die Leute in der Siedlung finden das anstößig.«
    »Willst du damit andeuten, daß mir unsere lieben Nachbarn die Schönhaar auf den Hals gehetzt haben?« fragte Paula und richtete sich wachsam auf.
    Doris hob die Hände. »Nein, nein! Das nicht. Weißt du, ich glaube nicht, daß sie dich hassen. Du bist ihnen bloß ein bißchen, nun ja, unheimlich.«
    »Die mir auch«, sagte Paula.
    »Natürlich ist auch eine große Portion Neid dabei. Sieh dir doch diese Schuhkartons an, für die sie mühsam jede Mark zusammenkratzen. Und dann dein Haus«, Doris korrigierte sich, »vielmehr, dein Anwesen .«
    » Der Haken dabei ist nur: Es gehört mir nicht.«
    »Außerdem«, fuhr Doris unbeirrt fort, »verstehst du es glänzend, dich unbeliebt zu machen. Schau, Paula, diese braven Leute gehen zweimal im Jahr ins Bauerntheater, amüsieren sich den ganzen Abend schenkelklopfend, und dann kommst du daher und schreibst eine zynische Kritik darüber. Auch wenn das meist berechtigt ist«, fügte sie schnell hinzu.
    Paula verteidigte sich: »Ich empfinde eben eine gewisse Verantwortung, gerade dem gutgläubigen Publikum gegenüber. Ich will nicht so ein mieser Opportunist werden wie der Schulze. Wenn ich Scheiße geboten kriege, dann schreibe ich das auch. Ich benutze natürlich ein paar Fremdwörter dafür.«
    »Apropos Fremdwörter«, in Doris’ Augen blitzte es boshaft auf, »ich wette, die Hälfte deiner Leser weiß nicht mal,
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