Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mordsee

Mordsee

Titel: Mordsee
Autoren: Reinhard Pelte
Vom Netzwerk:
bedrückte, ohne dass sie ihn weiter so verächtlich ansah? Sein Herz klopfte.
    »Ellen, ich habe dich heute eingeladen, weil ich … «
    »Von einer Einladung war gar nicht die Rede. Wenn ich mich richtig erinnere, dann … «
    »Lass mich doch ausreden, bitte. Ich will sagen, dass … «
    »Du willst etwas sagen. Das ist ja mal wirklich was Neues.«
    »Ich wollte dich heute Abend gern wiedersehen und mit dir … «
    »Mir schwant Übles.« Ellen verdrehte die Augen.
    »Ich wollte dich eigentlich fragen, ob wir nicht morgen oder in den nächsten Tagen, die wir noch bevor … , also wann immer du willst, also ich wollte … «
    Er verhaspelte sich und kam ins Stottern.
    »Du willst mit mir was anfangen, stimmt’s?«, fragte sie brutal.
    »Du verstehst das nicht richtig. Ich … «
    »Ich verstehe sehr gut«, unterbrach sie ihn ärgerlich. »Nee, mein Lieber, das läuft nicht. Ich habe nicht vor, einen Bubi ins Schlepptau zu nehmen. Such dir dafür ’ne andere.«
    Das hatte ihr gerade noch gefehlt. Was bildete der Kerl sich eigentlich ein? Sie zögerte keine Sekunde, stand auf und eilte dem Ausgang zu. Es war ihr egal, wie er das fand. Sollte er sich mit dem Italiener herumschlagen. Dabei würde er etwas lernen können, das er dringend brauchte. Draußen rannte sie über die Straße zu ihrem Auto.
     
    *
     
    Ihr abrupter Aufbruch brachte ihn durcheinander. Er verfluchte seine Unbeholfenheit. Er hatte ein jämmerliches Bild abgegeben. Nach einer kurzen Denkpause sprang er in einem wilden Entschluss auf, riss ihre Jacke von der Stuhllehne und stürmte ins Freie. Er lief um den Pavillon herum und sah, wie sie vor den beiden bedrohlich aufragenden Wohntürmen vom Parkplatz rollte, auf die rechte Straßenseite wechselte und kräftig Gas gab.
    »Ellen!«, schrie er und stürzte, mit der Jacke winkend, hinter ihr her.
     
    *
     
    Enttäuscht hielt er inne und ließ den Arm sinken. So hatte er sich den Abend nicht vorgestellt. Was sollte er jetzt tun? Vor ihm schlängelte sich die Promenade entlang der Förde in Richtung Klärwerk. Zur Rechten ragte der Anleger für die Wasserflugzeuge in die Förde. Er sah aus wie eine ins Meer geschüttete Buhne zum Schutz von Land und Leuten. Bei dem Gedanken lachte er bitter und sah sich Hilfe suchend um. Ein paar Schritte vor ihm stand eine Bank und er setzte sich. Die Füße ausgestreckt, die Arme über die Lehne gelegt, warf er den Kopf in den Nacken und starrte in den Abendhimmel.
    Als es zu dunkeln begann, hatte er Tausende Fragen gestellt und Abertausende Antworten gefunden. Aber in seinem Kopf wollte sich keine Klarheit einstellen. Im Gegenteil. Irgendetwas lief schief in seinem Leben.
    »Eh, Tiger. Geile Jacke, oder was?«
    Er schrak aus seinen Gedanken hoch. Vor ihm standen zwei Jugendliche. Die Schirme ihrer Ballcaps standen ihnen quer von den Köpfen ab. Die Konturen ihrer Körper verschwanden in undefinierbaren und viel zu weiten Klamotten. Sie spielten mit einem Lederei, das sie lässig zwischen sich hin und her warfen. Wie albern, fuhr es ihm durch den Kopf.
    »Hast recht. Echt heißes Teil. Hat Schotter gekostet! Was meinst du, Daddy cool?«
    Was wollten diese Affen von ihm? Er nahm die Jacke und hielt sie auf seinem Schoß fest.
    »Eh, Alter. Bist du taub oder was? Schon mal was von Russenmafia gehört, Mann?«
    Als er weiter schwieg, setzten sie sich rechts und links neben ihn. Was konnte er tun? Hatte er eine Chance?
    »Du redest wohl nicht mit jedem, was?«
    »Macht euch vom Acker. Ich habe keinen Bock auf Idioten.« Er erhob sich, die Jacke fest im Griff.
    »Krass. Er redet! Wie geil ist das denn! Tiger, hast du das gehört?«
    »Echt krass, Mann. Echt ultrasüßer Affenarsch!«
    Er erhob sich. Sie standen auf. Der Tiger griff nach der Jacke und versuchte, sie ihm aus der Hand zu reißen. Er leistete Widerstand. Sie machten Anstalten, ihn von den Beinen zu holen. Er krallte sich an der Jacke fest. Ihre absurde Brutalität machte ihn wütend. Er trat mit den Beinen nach ihnen. Das Gezerre wurde immer heftiger. Sie trieben ihn an seine Grenzen und machten ihn rasend. Urplötzlich ließen sie los. Er verlor die Balance und stolperte über die Pierkante. Entsetzt ließ er die Jacke fahren und versuchte, wild mit den Armen rudernd, irgendwo Halt zu finden. Vergeblich. Bevor ein Blitz sein Hirn zerriss, fragte er sich, warum er so lange festgehalten hatte.
     
    *
     
    Sie konnte keinen Schlaf finden, obwohl ihr die Müdigkeit in jedem einzelnen Knochen steckte und sie
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher