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Mordsee

Mordsee

Titel: Mordsee
Autoren: Reinhard Pelte
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seine Schulter noch immer, und das Gehen strengte ihn an.
    »Tut mir leid, dass Ihnen das gerade auf meinem Schiff passieren musste«, verabschiedete sich der Kommandant.
    »Nochmals meinen aufrichtigen Dank an Ihre Sanitäter. Ohne sie – wer weiß, wie es ausgegangen wäre«, erwiderte Jung versöhnlich.
    »Hoffentlich bleiben keine Schäden zurück.«
    »Die Ärzte sagen, es bestünde kein Grund zur Besorgnis«, beruhigte Jung den Kapitän.
    »Das sind schöne Worte. Aber was heißt das schon?« Ja, dachte Jung, eine gute Frage. Probleme hatte er auch vorher gehabt. Würden sie mehr werden? Ihm kam der flüchtige Gedanke, dass es eher umgekehrt sein könnte. Bald schon würde er die Erleichterung genießen, die sich einstellte, wenn man etwas geschafft hatte. Laut sagte er: »Das wird die Zukunft zeigen. Ich bin zuversichtlich.«
    Sie reichten sich die Hände und wünschten sich alles Gute. Charlotte nahm seine Reisetasche und sie stiegen langsam die Gangway hinauf.
    Der Flieger war fast leer. Zwei bis drei Dutzend Passagiere hatten sich auf die Sitzreihen verteilt. Für Jung und Charlotte waren die Plätze vor der Pantry freigehalten worden. Sie genossen die ungewohnte Bequemlichkeit. Nachdem das Flugzeug abgehoben hatte, nahm Jung von den schmerzstillenden Pillen, die sie ihm mitgegeben hatten. Dann machte er sich lang und bald darauf war er eingeschlafen.
     
    *
     
    Ein sanftes Rütteln an seinem gesunden Arm weckte ihn auf. Charlotte hatte sich über ihn gebeugt und sah ihn besorgt an.
    »Wir sind bald da.«
    Jung richtete sich auf. Er zuckte unter dem Schmerz in seiner Schulter zusammen.
    »Wollen Sie vorher noch etwas essen? Sie sollten auf jeden Fall trinken, Chef. Sie brauchen Wasser«, redete sie ihm zu.
    »Wo sind wir?«
    »Über Schottland, glaube ich. Noch circa eine Stunde und wir landen.«
    Jung riss die Augen auf, um endgültig wach zu werden.
    »Okay. Wasser wäre gut. Ich habe keinen Hunger.«
    Charlotte verschwand nach vorn und kam mit einer Flasche Wasser und einem Becher zurück. Sie schenkte voll und setzte sich neben ihn.
    »Hier, bitte. Wie geht es Ihnen?«
    Er trank den Becher leer.
    »Gut. Sehr gut«, erwiderte er zufrieden.
    »Was macht die Schulter?«
    »Alles im Lot. Sie schmerzt. Stört aber weiter nicht.«
    »Und wie geht’s Ihrem Seelenfrieden?«
    »Könnte besser sein«, lächelte er.
    »Sie können zufrieden sein«, sagte Charlotte freundlich. Er schwieg, als wollte er Zeit haben, darüber nachzudenken. Schließlich sagte er: »Haben Sie neue Informationen?«
    »Welche neuen Informationen? Was meinen Sie?«
    »Hat er gestanden?«, fragte Jung und wandte sich ihr zu.
    »Nein. Warum auch? Die Attacke auf Sie hat ihn entlarvt. Eindeutiger geht’s gar nicht«, entgegnete sie cool.
    »Ja, so kann man das sehen. Es gibt aber Einwände.«
    »Welche denn?«
    »Ich habe einen Fehler gemacht«, gab er leise zu.
    »Sie hätten tot sein können. Das ist der einzige Fehler, den ich sehe.«
    »Um ehrlich zu sein, hatte ich eine Wut auf ihn, weil er nicht reden wollte. Ein Recht, das ihm selbst die Strafprozessordnung einräumt. Ich habe ihn dann bis aufs Blut gereizt und seine Ehre besudelt. Man könnte ihm Notwehr einräumen.«
    »Das ist absolut absurd. So macht er sich doch nur verdächtiger. Wenn er unschuldig ist, warum redet er dann nicht?«
    »Weil er nicht will. Sie können niemanden zwingen. Und Schweigen kann genauso beredt sein wie Worte. Es kommt nur darauf an, wie wir das interpretieren.«
    »Sehr weit hergeholt«, bemerkte Charlotte unwillig. »Er ist der Täter.«
    »Libenter homines id, quod volunt, credunt», wandte Jung lächelnd ein.
    »Was heißt das, Chef?«
    »Wir dürfen nicht voreilige Schlüsse ziehen, Charlotte.«
    »Ja, aber mehr geht doch gar nicht. Was denn noch?«
    »Ein Geständnis. Das brauchen wir. Meine Wut war unprofessionell. Sie hätte mich stutzig machen müssen.«
    »Was hätten Sie denn sonst tun sollen?«, warf Charlotte ein.
    »Mich zurücknehmen und abwarten. Einfach nur Geduld üben und Verständnis entwickeln. Ich könnte mir vorstellen, dass er sich in der Untersuchungshaft eher was antut, als dass er anfängt zu reden.«
    »Wie kommen Sie darauf?«
    Charlottes Stimme wurde immer unwilliger.
    »Seine Situation ist ausweglos. Ihn erwartet nichts als Elend und Trostlosigkeit.«
    Sie schwiegen. Charlotte schenkte noch einmal seinen Becher voll. Ihr Unwillen stand ihr ins Gesicht geschrieben. Sie stellte die Flasche weg und lehnte sich in ihren Sitz
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