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Mordsee

Mordsee

Titel: Mordsee
Autoren: Reinhard Pelte
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Koma war nötig, damit die Verwundungen und Narben nicht aufplatzen. Nur für den Fall, dass Sie sich unkontrolliert bewegt hätten. Sie haben Ihnen eine gute Konstitution attestiert. Der Schiffsarzt kümmert sich seitdem um Sie.«
    Charlotte machte eine Pause und ließ Jung noch etwas Wasser trinken.
    »Wo ist er jetzt?«
    »Wer?«
    »Der Seemann.«
    »Erst mal ist er in Arrest gekommen. Halsbenning hat einen Haftbefehl erwirkt. Jetzt ist er in Untersuchungshaft. In Deutschland.«
    Jung schloss die Augen, als wolle er nachdenken.
    »Was sagen die Staatsanwälte?«, fragte er schließlich matt.
    »Können Sie sich das nicht denken?«
    Jungs Lachen erstarb unter einer erneuten Schmerzattacke. Er bat Charlotte mit den Augen um einen Schluck Wasser.
    »Sind sie hier?«, rang er sich gequält ab, nachdem er getrunken hatte.
    »Nicht mehr. Sie haben den Steward nach Deutschland begleitet.«
    »Und?«
    »Was und?«
    »Haben Sie ihnen von unseren Aktivitäten erzählt?«
    »Natürlich. Das musste ich ja. Der Mann ist des Mordes und eines versuchten Mordes schuldig.«
    »Nicht so vorschnell, Charlotte«, flüsterte Jung. »Die Staatsanwälte … «
    »… sehen das jedenfalls so«, ließ sie ihn nicht ausreden. »Seine Sachen sind durchsucht worden. Die vermisste Kosmetiktasche der Kadettin ist auch gefunden worden.«
    »Wo?«
    »In seiner Pantry.«
    »Das ist eher sonderbar. Gehörte sie überhaupt der Kadettin?«
    »Das Täschchen gehörte ihr. Ich habe mit Ihrem Kollegen in Flensburg gesprochen. Er hat die Mutter befragt. Die Tasche hat sie beschreiben können. Das Parfüm ihrer Tochter war auch darin.«
    »Welches? Wie heißt es?«
    »Un jardin sur le toit.«
    »Das benutzen andere auch.«
    »Die kriminaltechnische Untersuchung wird das alles abschließend klären. Die Staatsanwälte jedenfalls … «
    »… reden viel und machen ihre Arbeit«, unterbrach sie Jung leise. »Hat Halsbenning schon Dienstaufsichtsbeschwerde eingereicht?«
    »Das weiß ich nicht. Aber sie sind stinksauer auf Sie. Das muss ich Ihnen ja nicht extra erklären, nicht wahr?«
    »Nein. Warum sind Sie noch hier?«
    »Weiß ich nicht. Der kleine Gnom hat mich angewiesen zu bleiben.«
    »Sie sind mir zugeteilt. Daran kann nur der Polizeipräsident etwas ändern«, erwiderte Jung lahm.
    »Der hat übrigens Genesungswünsche übermitteln lassen«, teilte ihm Charlotte nüchtern mit. »Ihr Chef in Flensburg auch. Kommen Sie schnell wieder auf die Beine, soll ich Ihnen ausrichten. Beide sind informiert.«
    »Ist meine Frau benachrichtigt?«
    »Ihr Chef hat das übernommen. Er hat sie beruhigt, sagt Ihr Freund.«
    Jung wollte lachen, verbiss es sich aber gerade noch, um nicht eine erneute Schmerzwelle über sich ergehen lassen zu müssen.
    »Mein Chef. Ich mag ihn«, grinste er gequält. »Ich werde mit ihr telefonieren«, murmelte er abschließend.
    Charlotte hielt noch immer das Glas in den Händen und machte Anstalten, ihm noch einmal zu trinken zu geben. Er nahm ihr das Glas mit der gesunden Rechten ab.
    »Ich sehe schon. Sie sind auf dem besten Weg«, stellte sie mit deutlichem Spott in der Stimme fest.
    »Wie geht’s jetzt weiter, Charlotte?«
    »Wir müssen noch ein paar Tage warten, bis Sie reisefähig sind. Mit dem nächsten Shuttle sollte das eigentlich klappen, sagt der Doktor. Aber nur, wenn Sie brav sind. Der Zwischenstopp in Québec ist schon bestätigt.«
    Jung hatte dem nichts hinzuzufügen. Er verzog das Gesicht zu einer Grimasse des Unwillens. Die Schmerzen und unangenehmen Verspannungen in Hals und Schulter quälten ihn.
    »Haben Sie keine Wut im Bauch?«, fragte Charlotte mitfühlend.
    »Nein. Warum?«, stöhnte er.
    »Der Steward. Schließlich wollte er Ihnen ans Leder.«
    »Ach, das meinen Sie. Nein, nein, ich … « Er brach mittendrin ab.
    »Was wollten Sie sagen, Chef?«, hakte Charlotte nach.
    Jung zog die Augenbrauen hoch und schloss die Augen. Er hielt die Lippen aufeinandergepresst, als wollte er sie niemals wieder öffnen.

Heimreise
     
    Die Sonne verschwand wie ein riesiger, roter Ball hinter der bewaldeten Wildnis im Westen. Im Osten funkelten die ersten Sterne an einem blank gefegten Himmel. Der Airbus mit dem aufgemalten schwarzen Kreuz am Rumpf wartete auf einem Abstellplatz, weit weg vom Abflugterminal des Jean Lesage International Airports. Ein Notausgang in der Umzäunung war für sie geöffnet worden. Der Fahrer durfte sie bis an die Gangway bringen. Jung war dankbar dafür. Unter den dicken Verbänden schmerzte
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