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Mordsee

Mordsee

Titel: Mordsee
Autoren: Reinhard Pelte
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menschlicher Zivilisation. Die kalte Leere füllte sich mehr und mehr mit vorbeifliegenden Wolkenfetzen. Es war, als stürzten sie ins Bodenlose. Er spürte seinen Puls in der Halsschlagader. Das war ihm, bis auf die wenigen Tage im Lazarett, noch nie passiert. »Mein Gott«, murmelte er lautlos, »wen hast du mir da nur geschickt.«

Epilog
     
    Als sie ins Restaurant stürmte, war sie außer Atem. Sie sah sich hektisch um und entdeckte Momme an einem Zweiertisch ganz hinten. Eigentlich saß sie lieber mittendrin, nicht so abseits, als müsste sie sich verstecken. Der Tisch stand am Fenster und gestattete einen Panoramablick über die Marina, die Segeljachten und die hübschen Häuser über dem Wasser, die auf der langen Pier aufgereiht standen wie bunte Bauklötze. Jenseits davon, hinüber nach Kollund und dem dänischen Ufer, präsentierte sich die Innenförde von ihrer allerschönsten Seite. Die Aussicht versöhnte sie mit der Wahl ihres Crewkameraden.
    »Hallo, Momme. Toller Blick.«
    »Hallo, Ellen. Schön, dass du da bist.« Er stand auf, gab ihr die Hand und schob ihr den Stuhl zurecht. Sie sah ihn amüsiert an.
    »Entschuldige, ich hatte Jenny am Telefon. Es ist etwas später geworden.«
    »Macht nichts. Möchtest du was trinken?«
    »Na klar. Deswegen bin ich doch hier«, entgegnete sie lebhaft und lachte.
    Er schwieg verlegen. Sie winkte den Kellner heran.
    »Guten Abend, die Herrschaften. Was darf es sein?«
    Momme zögerte und sah Ellen fragend an.
    »Vorweg möchte ich ein Glas Prosecco«, sagte sie. »Und du?«
    »Okay. Für mich dasselbe.«
    Der Kellner verbeugte sich leicht und entfernte sich.
    »Das gleiche, Momme.«
    »Was?«
    »Es heißt das gleiche, nicht dasselbe. Okay, wir sind ja nicht in der Schule.« Sie lachte. »Hast du schon rausgekriegt, was es heute Besonderes gibt?«
    »Ich wollte auf dich warten. Der Spaghetti bringt gleich die Karte.«
    Sie ignorierte seine Bemerkung und stellte trocken fest: »Es gibt ein paar Gerichte außerhalb der Karte. Sehr empfehlenswert.«
    Er schwieg eingeschüchtert.
    »Nicht so schlimm. Ich bin öfter hier. Soll ich für dich mitbestellen? Was magst du? Oder besser, was magst du absolut gar nicht?«
    »Ich bin nicht wählerisch. Ich mag normalerweise alles.«
    »Alles? Wirklich? Das ist ja abartig. Hast du keine Lieblingsspeise?«
    Ellen schüttelte angeekelt den Kopf. Momme schwieg. »Ich für meine Person hasse Spinat und Kohl. In Schokoladenpudding mit Schlagsahne könnte ich mich reinsetzen. Meine Mutter macht immer Schokopudding, wenn ich zu Hause bin.«
    Sie verunsicherte ihn. Ihm gefiel das nicht. Er spürte, wie ihm Schauer über den Rücken liefen.
    »Was ist? Bist du immer so wortkarg?«, fragte sie nach einer Weile, während er wie abwesend aus dem Fenster starrte. Der Kellner kam mit den Getränken und der Speisekarte und erlöste ihn. Er hörte Ellen stumm zu, wie sie die Bestellung aufgab. Sie erledigte das so sicher und mit einer routinierten Freundlichkeit, als verdiene sie ihr Geld damit. Am Schluss hatte er überhaupt nicht mitbekommen, was sie bestellt hatte. Es war ihm egal. Er rettete sich, indem er zum Glas griff.
    »Zum Wohl.«
    »Zum Wohl, Momme. Auf die Seefahrt.«
    »Was?«
    »Auf die Seefahrt! Wir sind in ein paar Tagen auf See. Schon vergessen?«
    »Ach so. Ja, natürlich.«
    Sie tranken.
    »Kennst du eigentlich die Verballhornung von SSS-Gorch Fock?«
    Er wusste mit dem Wort Verballhornung nichts anzufangen und erwiderte: »Nee. Muss man das?«
    »Sorgen-Seelen-Suff-Gorch Fock.« Sie lachte aus vollem Hals. Er lächelte verklemmt.
    »Was ist denn los mit dir, Momme? Hast du keinen Humor? Hast du etwa Schiss?«
    »Nein. Warum? Ellen, ich muss … «
    »Ich freue mich riesig. Wenn ich das Wasser sehe und die Segelboote, wie sie an der Pier dümpeln, dann bekomme ich Gänsehaut vor lauter Aufregung. Das wird ein Ding werden, das kannst du mir glauben. Davon werde ich meinen Enkelkindern noch erzählen.«
    Er schwieg. Seine Beklemmung nahm zu. Wenn er an die Gorch Fock dachte, wurde ihm mulmig. Sein Vater wartete an Bord auf ihn. Er konnte ihn schlecht verleugnen. Das ging schon wegen des blöden Namens nicht. Am liebsten würde er an Land bleiben und später mit einer fremden Crew an Bord gehen.
    »Momme, wenn du weiter so miesepetrig dasitzt, kann ich auch wieder gehen. Ich mach hier doch nicht den Alleinunterhalter.«
    Sie klang verärgert. Er kam unter Druck. Was sollte er ihr sagen? Wie konnte er ihr klarmachen, was ihn
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