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Mordlast

Mordlast

Titel: Mordlast
Autoren: Alexander Guzewicz
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Historiker, also wie geschaffen für diesen Posten.«
    Vor dem offenen Fenster parkte ein Auto ein. Die Baustelle war verschwunden und der Graben notdürftig mit einer Teerschicht bedeckt worden, nachdem man ihn zugeschüttet hatte. Der Fahrer brauchte einige Anläufe und die Luft im Besprechungsraum füllte sich mit Abgasen. Engbers stand auf und schloss das Fenster.
    »Ich habe aus dem Verein etwas gemacht. Es war mir wichtig, die Geschichte in Berlin nicht in Vergessenheit geraten zu lassen, wie es die Stadt offensichtlich vorhatte. Natürlich lag das auch daran, dass sie kein Geld hatte, aber es schien auch sonst keinen zu stören, dass die Relikte aus der Vergangenheit langsam verwilderten und in den Augen der Bevölkerung zu Schandflecken verkamen. Man sieht es ja jetzt am Flughafen Tempelhof. Der wurde einfach so stillgelegt, obwohl es ein so geschichtsträchtiger Ort ist.«
    »Sie haben schließlich durchgesetzt, dass der Schwerbelastungskörper zu einer Gedenkstätte gemacht wird.«
    »Ja. Ich habe die Sanierung vorangetrieben, obwohl keiner mehr Interesse an diesem Objekt hatte. Einige wollten den Schwerbelastungskörper sogar zu einem Spielplatz umfunktionieren.« Er wartete einen Augenblick, aber keiner sagte etwas. »Bei meiner Arbeit bin ich auf die Aufzeichnungen von Colombat gestoßen, und das war eine erste Spur zu dem Mörder meiner Eltern. Ich habe dann bei der Sanierung ein neues Verfahren angewandt, das mir die Gewissheit verschaffte, dass seine Geschichte nicht erfunden war, sondern eine traurige Tatsache.«
    »Das   Modular Ultra-Sonic Imaging .«
    »Ja.«
    »Sie mussten irgendwie erreichen, dass das Fraunhofer Institut keine Möglichkeit hatte, Ihren Fund an die Öffentlichkeit zu bringen, und haben den Test abgebrochen.«
    »Ich hatte jetzt endlich die Bestätigung dafür, wie meine Mutter ermordet worden war. Dann kam dieser Typ.«
    »Bernd Propstmeyer.«
    »Er hatte irgendwelche Unterlagen gefunden, als seine Mutter starb oder als er sie ins Altersheim gebracht hatte. Ich weiß nicht mehr genau, wie das war. Er sagte, dass er herausgefunden hätte, dass sein Vater meine Eltern umgebracht hatte.«
    »Und?«
    »Er sagte, er wolle sich dafür entschuldigen.«
    »Und warum haben Sie ihn dann umgebracht?«
    »Er hat es nicht ernst gemeint. Er war genauso ein Sadist wie sein Vater. Er hat es genossen, dass ich diese ganzen Erinnerungen noch einmal durchleben musste. Das Gesicht meines Vaters, als er erschossen wurde. Der Spiegelgrund. Das Heim. Alles. Ich habe versucht zu vergessen, aber es ist mir nicht gelungen.« Colberts Blicke gingen ins Leere. Er fuhr mit leiser Stimme fort: »Ich bin ihm gefolgt. In seine Wohnung. In diese Siedlung, die wie geschaffen war für einen Mann wie ihn. Ich habe die Wohnung gesehen und seine Freundin. Er führte das Leben seines Vaters einfach weiter. So, als sei die Zeit stehen geblieben. Als wäre nichts passiert. Als würden meine Eltern noch leben und die bürgerliche Fassade seiner Familie wäre noch nicht mit dem Blut meiner Familie beschmiert worden. Die alten Möbel, die Freundin in den Kleidern aus dieser dunklen Zeit. Er klebte an der Vergangenheit. Er liebte es, sich mit ihr zu beschäftigen. Er war, wie sein Vater, ein roher, unverbesserlicher Mörder. Nur dass er heute lebte und nicht mehr die Gelegenheit dazu hatte, einfach nach Belieben zu morden.«
    »Sie sind mit ihm an den Ort Ihrer Geschichte zurückgekehrt.« Davídsson vermied es, ihm zu erzählen, was sie über Bernd Propstmeyer herausgefunden hatten.
    »Das war leicht. Ich habe ihm gesagt, dass ich eines seiner Kunstobjekte dort anbringen lassen wollte, um den Besuchern etwas mehr als nur den bloßen Beton bieten zu können. Er war einverstanden, sich das Objekt genauer anzusehen, um sich anschließend ein geeignetes Kunstwerk, wie er es nannte, zu erschaffen. Er hatte vorgeschlagen, dort an der Decke Bademantelgürtel anzubringen. Durch die sollten die Besucher gehen, um bei jedem Schritt eine kleine Ohrfeige von den Gürteln zu bekommen, gegen die man unweigerlich stoßen würde. Die Idee war absurd und halbherzig zugleich. Als wir dort waren, hat er gesagt, dass er das Bauwerk beeindruckend finde und auch die Idee dahinter.«
    »Wie hat er das gemeint? Die Idee dahinter.«
    »Ich habe ihn nicht gefragt. Es ging alles so schnell. Ich habe nur noch Hass für diese Familie empfunden.«
    »Und dann?«
    »Er hatte so einen Bademantelgürtel dabei. Rosa. Das war einfach nur
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