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Mordlast

Mordlast

Titel: Mordlast
Autoren: Alexander Guzewicz
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dann diesen Schwerbelastungskörper gebaut?«
    »Der Triumphbogen war so größenwahnsinnig angelegt wie ganz Germania. Das Ding sollte 117 Meter hoch werden und 170 Meter breit. Er sollte zu Ehren der im Ersten Weltkrieg gefallenen deutschen Soldaten gebaut werden. Damit man herausfinden konnte, wie sich diese riesige Belastung auf den Untergrund auswirkt, hat man das Gewicht des Triumphbogens mit dem Schwerbelastungskörper simuliert.«
    »Und warum dann diese Hohlräume?«
    »Das sind Messkammern. Es gibt eine obere Messkammer. In der habe ich den Toten gefunden, und es gibt noch untere Messkammern und natürlich die Werkstatt, durch die Sie vermutlich hereingekommen sind.«
    Davídsson musste wieder an einer Ampel halten. Er warf einen Blick Richtung Himmel, wo dunkle Wolken aufgezogen waren. Es würde den ganzen Tag regnen, wie im Wetterbericht vorhergesagt.
    »Steht der Schwerbelastungskörper unter Denkmalschutz? Ich meine jetzt, wegen der Abteilung, für die Sie arbeiten.«
    »Seit 1995. Ja.« Er zögerte einen Augenblick. »Ja und nein. Ich bin auch für die Planung verantwortlich.«
    »Die Planung?« Davídsson fuhr gemütlich weiter. Er hatte es nicht eilig, durch den Regen zu seinem Büro zu laufen.
    »Der Schwerbelastungskörper musste dringend saniert werden. Ursprünglich sollte er nur zwanzig Tage stehen. In den letzten Jahren ist der Beton rissig geworden. Wasser ist durch das undichte Dach in den Beton eingedrungen und dann ist er bei Frost abgeplatzt. Deshalb auch die ganzen hellen Flecken rundherum. Wir haben das ganze Dach neu betonieren müssen und jetzt wird das gesamte Areal etwas ansehnlicher gestaltet. Vor der Sanierung war alles total verwildert und überwuchert. Sie haben ja vielleicht die Reste gesehen.«
    Davídsson hatte das Gestrüpp gesehen, das in einer Ecke des Grundstücks aufgehäuft war, aber er hatte es auch sofort wieder vergessen, weil er es als unwichtig betrachtet hatte.
    »Was wird noch gemacht?«, fragte er jetzt.
    »Wir bauen einen kleinen Pavillon und eine Aussichtsplattform, die über das Dach des Schwerbelastungskörpers ragt. In dem Pavillon soll es dann Ausstellungen über das Bauwerk geben. Es ist nämlich weitgehend unbekannt, auch für eingefleischte Berliner wie mich. Ich wusste nichts davon, bis ich es im Bezirksamt damit zu tun bekommen habe.«
    »Eigentlich klingt es aber ganz interessant«, sagte Davídsson, der sein schwarzes Saab 9-3 Cabriolet vor einem gepflegten Wohnblock abbremste.
    Hier sahen alle Häuser gleich aus. Die Eingänge unterschieden sich nur noch durch die Hausnummern, die hinter mattem Glas leuchteten.
    Am Horizont sah er die aufgereihten Hochhäuser der Aronstraße. Es gab vielleicht zwanzig von ihnen oder mehr. Sie sahen jetzt gegen den dunklen Himmel und am Rande der grünen Kleingartenanlage aus, als ob Riesen aus einer anderen Welt langsam wachsen würden. Beinahe so, als hätte man eine Bildfolge ihres trägen Erwachens nebeneinandergelegt. Er war vor einigen Wochen durch die Siedlung gefahren, in der Tausende Menschen leben mussten. Er war froh, nicht dort leben zu müssen.
    »Wenn Sie mehr über den Schwerbelastungskörper wissen wollen, können Sie mich gerne im Büro anrufen. Ich kann Ihnen noch einiges dazu erzählen«, sagte Werner, der Davídssons Gedanken wieder an den Tatort zurückholte.
     
    Ólafur Davídsson hätte noch tausend Fragen über den Betonklotz der Nazis gehabt, aber das musste warten. Die Ermittlungsmaschinerie lief gerade erst an.
    Er selbst musste sich erst im Klaren darüber sein, wie seine Strategie bei diesem Fall aussah.
    Er musste sich überlegen, ob er die Metaplantechnik nutzen sollte, die man bevorzugt anwandte, wenn mehrere Fallanalytiker an einem Fall arbeiteten, und die eine Art Brainstorming war, bei dem man die Fakten auf Pinnwänden zusammentrug. Oder sollte er nach der Mindmappingmethode vorgehen und alleine arbeiten? Das Bundeskriminalamt nutzte für diese Methode eine Analysesoftware namens Analyst’s Notebook, die er sehr nützlich fand.
    Er würde alleine arbeiten, aber er entschied sich trotzdem für die Metaplantechnik.
     
    Davídsson hatte sich beim Spiel nicht konzentrieren können. Er war auf dem Weg nach Hause und dachte nach. Es war dieses Mal weniger der Fall, mit dem er sich beschäftigte. Es war eher Engbers. Er würde mit ihm zusammenarbeiten müssen. Sie würden miteinander an dem Fall arbeiten müssen.
    Das konnte unter normalen Umständen schon schwierig genug sein.
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