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Mordlast

Mordlast

Titel: Mordlast
Autoren: Alexander Guzewicz
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dann in den Raum sprang.
    »Wer sind Sie?« Der Mann sah aus wie ein Mondmensch in dem weißen Schutzanzug.
    »Ólafur Davídsson, Kriminalanalyst vom BKA.« Er wollte seinen Ausweis aus der Manteltasche ziehen, aber sein Gegenüber winkte ab.
    »Andreas Rach. Ich bin der Leitende Sachbearbeiter der Spurensicherung. Wie kommt es, dass sich das BKA für das hier interessiert?«
    »Es könnte sich um eine politisch motivierte Straftat handeln«, wiederholte Davídsson die Worte seines Chefs. Er wusste nicht einmal, um was für eine Straftat es sich hier handelte. In den meisten Fällen waren es jedoch Morde, zu denen er hinzugezogen wurde.
    Rach nickte. »Er liegt da hinten in der anderen Kammer. Wir sind gerade fertig geworden. Die Gerichtsmedizin ist noch an ihm dran.«
    Davídsson überlegte, ob er sich erst in diesem Raum umsehen sollte, entschied sich dann jedoch dagegen. Er ging ein paar Stufen nach oben und dann durch einen breiten Tunnel. Hier war es kühler und feuchter, aber die Luft roch nicht nach Schimmel. Er zog ganz automatisch den Mantel am Kragen zusammen.
    Der zweite Raum war wesentlich kleiner als der andere. Es war eher eine Kammer mit verrosteten Halterungen an den nackten Betonwänden, deren Nutzen Davídsson nicht kannte.
    In der Mitte lag das Opfer.
    Der Pathologe beugte sich über den Mann. Zwei uniformierte Polizisten standen in einer Ecke vor einem offenen Sicherungskasten.
    »Achtung! Die Stange!«, brüllte einer der beiden, aber es war zu spät.
    Davídsson war bereits mit dem rechten Fuß hängen geblieben und konnte gerade noch das Gleichgewicht zurückgewinnen.
    Der Uniformierte grinste. »Wir sind alle darüber gestolpert.« Er hatte einen breiten Stiernacken, der aus dem Hemdkragen quoll.
    Er sieht aus wie ein Zuchtbulle oder ein Terrier, dachte Davídsson, während er ihm die Hand schüttelte. Seine Kollegin war das genaue Gegenteil: schmächtig, mit einem zierlichen Hals, um den sich eine enge Silberkette schmiegte. Sie gab ihm ebenfalls die Hand, ohne sich vorzustellen.
    Der Gerichtsmediziner war wesentlich älter als der Zuchtbulle und seine Partnerin und älter als Davídsson. Er schätzte ihn auf Mitte sechzig. Er nickte nur, als sich Davídsson zu dem Opfer hinunterbeugte.
    Der Tote war auch älter als Davídsson. Aber nicht viel. Vielleicht vierzig, eher ein paar wenige Jahre älter. Seine Augen waren aus den Höhlen hervorgequollen. Ein rosa Bademantelgürtel hing dem Opfer schlaff um den Hals. Die beiden Hände hatten offensichtlich die Enden festgehalten, lagen jetzt aber links und rechts von seinem Kopf.
    »Er ist erstickt?« Davídsson war neben dem Pathologen in die Hocke gegangen.
    »Wahrscheinlich Selbstmord.« Seine dunkle Stimme hallte von den kahlen Wänden.
    Der Tote hatte einen dunkelgrünen Kutschermantel um, der jetzt halb offen einen Blick auf ein kariertes Hemd und eine Boss-Jeans freigab. In unmittelbarer Nähe seines Kopfes lag eine rot-braune Kunststoffbrille. Davídsson betrachtete die kreisrunden Gläser. Sei waren noch intakt. Er konnte nur die üblichen Gebrauchsspuren daran sehen. Leichte Kratzer auf der Oberfläche, die vom Putzen stammen konnten.
    Davídssons Blick glitt zu den Schuhen des Opfers. Sie sahen gepflegt aus, aber ebenfalls nicht mehr neu. An der rechten Sohle sah er Abriebspuren, die von einem Gehfehler stammen konnten.
    »Oder Mord«, sagte er schließlich, obwohl er noch keinen Anhaltspunkt dafür gefunden hatte.
    »Sie kenne ich noch nicht. Sind Sie neu beim LKA 1?«
    »Ich bin vom BKA. Fallanalytiker. Man sagte mir, es könnte sich um eine politische Straftat handeln?«
    Der Gerichtsmediziner sah ihn überrascht an.
    »Es sieht ganz nach einem Selbstmord aus. Wer hat Ihnen denn den Quatsch erzählt?«
    Bevor Ólafur Davídsson antworten konnte, betrat ein weiterer Mann die Kammer. Er wirkte angespannt.
    »Alle, die nichts mit der Gerichtsmedizin zu tun haben, verlassen sofort den Raum«, befahl er, ohne sich den Anwesenden zuzuwenden.
    Die beiden uniformierten Polizisten gehorchten. Davídsson sah keine Veranlassung, es ihnen gleich zu tun.
    »Das gilt auch für den Lackaffen im Christian Dioranzug, oder sind Sie von der Gerichtsmedizin?« Der Mann mit dem breiten Gesicht und den kurzen lockigen Haaren sah ihn an. Davídsson sah, dass er breite Lachfalten um den Mund hatte.
    Anscheinend ist ihm der Humor heute verloren gegangen, dachte er und richtete sich auf. Er war ein gutes Stück größer als sein Gegenüber.
    »Ólafur
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