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Mordlast

Mordlast

Titel: Mordlast
Autoren: Alexander Guzewicz
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tat. Vielleicht interpretierte er zu viel in das Verhalten von Engbers hinein, aber allem Anschein nach hatte dieser versucht, ihn zu umgehen, oder aus seiner Sicht eher zu übergehen.
    Davídsson hatte sich die Raumnummer geben lassen, in der die Einsatzbesprechung stattfand.
    Es war ein Raum im zweiten Stock des Gebäudes, der die angespannte Haushaltslage des Landes Berlin nicht besser hätte dokumentieren können.
    Es gab nur zwei alte Holztische, die irgendwann einmal aneinander gestellt und vermutlich seither nie wieder bewegt worden waren. Um die Tische standen Holzstühle, die noch älter sein konnten, und sonst gab es nur noch eine einsame Neonröhre und einen Kleiderständer, den nie jemand benutzte.
    Ólafur Davídsson setzte sich neben den Gerichtsmediziner, der gerade etwas gesagt hatte, als er den Raum betreten hatte. Engbers warf ihm einen nichtssagenden Blick zu, die anderen nickten kurz.
    »Er kann sich also nicht selbst stranguliert haben?«, fragte Engbers, der einen Kugelschreiber in der Hand hielt, als sei er eine Zigarette.
    »Die Oberfläche des Bademantelgürtels war dafür zu glatt. Bei einer Selbsttötung kann man den Strang nur so lange zuziehen, wie die eigenen Kräfte es zulassen. Wird man ohnmächtig, tritt eine Muskelerschlaffung ein, bei der auch der auf den Hals ausgeübte Druck aufgehoben wird. Die Folge ist, dass man nicht stirbt. In seltenen Fällen kann der Karotissinusreflex zwar trotzdem fatal wirken, aber das war hier nicht der Fall. Es erfordert außerdem schon eine sehr hohe Überwindungskraft, diese Art des Selbstmordes überhaupt in Betracht zu ziehen, oder?« Der Pathologe beugte sich zu Davídsson herüber und sah ihn dabei fragend an.
    »Ich denke schon. Sich selbst zu ersticken erfordert sehr viel Selbstüberwindung. Es gibt andere Methoden, die endgültiger sind und bei denen man sich weniger überwinden muss.«
    »Tz. Endgültiger«, Engbers grinste breit.
    »Nur eine Schlinge, die auch dann geschlossen bleibt, wenn man das Bewusstsein verliert, ist für diese Art des Suizids geeignet. Eigentlich könnte das durchaus ein Bademantelgürtel sein, weil er kleine Widerhaken hat, die beim Zuziehen der Schlinge das unerwünschte Öffnen verhindern, aber in diesem Fall war das nicht so. Wir haben mehrere Tests gemacht, aber die Schlinge hat sich immer wieder von alleine geöffnet. Der Gürtel ist zu alt und die kleinen Textilschlaufen sind bereits zu sehr miteinander verklebt.«
    »Also war es Mord.« Engbers lehnte sich auf dem Holzstuhl zurück und sah dabei aus dem Fenster.
    Da draußen regnete es jetzt. Die Dächer der Häuser glänzten in der Sonne, die noch bis vor Kurzem über ihnen geschienen hatte und jetzt durch eine einzelne dunkle Wolke teilweise verdeckt wurde.
    »Das ist aber nicht das Einzige.« Der Pathologe legte die dünne Akte auf den Tisch. »Der Tote hatte auffällige Verätzungen an verschiedenen Fingern der linken Hand. Vor allem am Pollex und am Index.«
    »Deutsch bitte, Heinzelmann.«
    »Daumen und Zeigefinger«, brummte der Gerichtsmediziner. »Ich habe Spuren von Zitronensäure gefunden, die das Gewebe zerstört haben muss.«
    »Ist das wichtig?« Engbers sah wieder aus dem Fenster. Die Wolke war weitergezogen.
    »Für diejenigen, die ordentliche Ermittlungsergebnisse verwerten können, vielleicht.« Der Gerichtsmediziner nahm die Akte, stand auf und verließ den Raum, ehe jemand etwas sagen konnte.
    »Ganz toll«, sagte Davídsson, der Engbers am liebsten eine verpasst hätte.
    »Rach, was haben Sie?«, fragte Engbers, ohne Davídsson eines Blickes zu würdigen.
    »Einen Toten.« Rach versuchte die Stimmung durch einen platten Scherz aufzubessern, aber keiner lachte. »Das Opfer heißt Bernd Propstmeyer. Wir haben seine Brieftasche, ein Portemonnaie mit zweihundert Euros und ein paar Cents. Raubmord scheidet damit eigentlich schon aus. Dann haben wir eine Uhr, die aber nichts Besonderes ist, einen Ring am kleinen Finger mit einer Gravur und eine Eintrittskarte für die Berliner Philharmonie von gestern. Abgerissen.«
    »Was für ein Ring ist das?«, fragte Davídsson.
    »Auch hier nichts Besonderes. Es ist ein einfacher Ring mit 333er Goldanteil, wie er in vielen südländischen Urlaubsorten zu kaufen ist. Er hat eine Facette, in die man ziemlich unprofessionell die Initialen des Toten eingeritzt hat. Türken tragen die meistens, oder auch Engländer.«
    »Sind schon Spuren von anderen Personen ausgewertet worden?«, fragte jetzt Engbers.
    »Wir
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