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Schlechte Medizin: Ein Wutbuch (German Edition)

Schlechte Medizin: Ein Wutbuch (German Edition)

Titel: Schlechte Medizin: Ein Wutbuch (German Edition)
Autoren: Gunter Frank
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Vorwort
    Liebe Leser,
    ich habe lange gezögert, dieses Buch zu schreiben. Denn womöglich werden Sie, nachdem Sie es gelesen haben, bei Ihrem nächsten Arztbesuch oder Krankenhausaufenthalt deutlich skeptischer sein, ob Sie auch richtig behandelt werden. Dies wird womöglich Kolleginnen und Kollegen treffen, die zu Tausenden täglich als Notärzte, im Operationssaal, am Krankenbett viel mehr als ihre Pflicht tun, um für ihre Patienten da zu sein, die sorgfältig die beste Therapie wählen und dabei nicht ihre Karriere und das eigene Konto im Blick haben. In unserem Gesundheitssystem arbeiten sehr viele, sehr motivierte Menschen als Krankenschwestern und Pfleger, als Hebammen, Ärzte und Ärztinnen, die helfen, auch schwerste Erkrankungen durch sehr gute neue Verfahren erfolgreich zu behandeln, im besten Fall sogar zu heilen. Bei meinen Patienten und auch in der eigenen Familie habe ich das erleben dürfen. Auch Sie haben sicher solche guten Erfahrungen mit Medizin machen können, vielleicht sogar am eigenen Leib. Viele dieser segensreichen Therapien werden in Deutschland täglich durchgeführt, vor allem in der Akutmedizin. Wir reden dabei von guter Medizin und wir müssen auch weiterhin alles dafür tun, dass sie gefördert wird und uns auch weiterhin zur Verfügung steht.
    Doch in vielen Bereichen, bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes, Krebs und vielen chronischen Leiden, hat gute Medizin es immer schwerer, das ist leider die tägliche Erfahrung in meiner Praxis. Und das ist keine Frage des Geldes oder von privat oder gesetzlich krankenversichert, das Gesundheitssystem ist derzeit ausreichend finanziert. Das Problem ist, dass schlechte Medizin sich immer größere Stücke von diesem Kuchen abschneidet. Während Sie dieses Buch lesen, nehmen Millionen Menschen verschiedenste Medikamente ein, die sie nicht benötigen, die aber schwere Nebenwirkungen haben, in nicht seltenen Fällen sogar tödliche. So leidet laut Robert-Koch-Institut die Hälfte der Bundesbürger an zu hohem Gewicht, ein Viertel an zu hohem Blutdruck, ein Fünftel an zu hohen Blutfettwerten und ein knappes Sechstel an Fettleibigkeit. Von den Deutschen über 65 Jahre gilt jeder fünfte als zuckerkrank. Die allermeisten dieser Menschen sind jedoch gar nicht krank, sondern werden durch die Absenkung von Normwerten buchstäblich für krank erklärt. Sie haben kein erhöhtes Risiko, werden aber trotzdem therapiert. Medikamentenverordnungen beanspruchen deshalb einen immer höheren Anteil der Gesamtausgaben und stehen heute nach den Krankenhauskosten an zweiter Stelle. Doch der Patient profitiert davon nicht. So stuft das arznei-telegramm von den 15 umsatzstärksten Medikamenten nur 4 als positiv ein, das heißt, nur hier hat der Patient einen echten Nutzen zu erwarten, der die schädlichen, oft quälenden Nebenwirkungen deutlich übersteigt.
    Als praktischer Arzt weiß ich, wie wichtig Vertrauen in der Medizin ist. Die Arzt-Patienten-Beziehung lebt davon, und man sollte deshalb Vertrauen nicht leichtfertig infrage stellen. Das ist mir nur zu bewusst, aber das systematische Fehlverhalten und die Missstände in unserem Gesundheitssystem haben Ausmaße angenommen, zu denen man nicht mehr schweigen darf. Vertrauen in der Medizin muss auf einem soliden Fundament stehen, dieses Fundament sind die medizinischen Leitlinien und Lehrbücher, sie bilden die Grundlage der täglichen Arbeit in Praxen und Krankenhäusern und haben deshalb immensen Einfluss auf die Patientenbehandlung. Und dieses Fundament ist morsch und brüchig.
    Jeden Tag werden in Deutschland unzählige Patienten falsch behandelt. Wie ich zeigen werde, passiert all dies unter Billigung und teils sogar aktiver Mithilfe von Hochschulprofessoren, die diesen Schaden in Kauf nehmen, obwohl es ihre Aufgabe wäre, uns vor solchen Fehlbehandlungen zu schützen. Es geht dabei nicht um Fehlleistungen oder Kunstfehler Einzelner, sondern um ein System, welches schlechte Medizin zum Normalfall macht und sich jeder Kritik entzieht. Warum? Weil es für viele Ärzte in leitenden Hochschulpositionen mit Macht-, Einfluss- und Einkommensverlust verbunden wäre.
    Am schlimmsten ist für mich als Arzt das Gefühl, dass ich meine Patienten nicht mehr vor schlechter Medizin schützen kann. Überweise ich zum Beispiel Patienten mit Altersdiabetes in ein diabetisches Spezialzentrum, dann ist die Gefahr groß, dass sie dort medikamentös falsch eingestellt werden, sodass sie sogar früher sterben als ohne Behandlung.
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