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Mord zur Bescherung

Mord zur Bescherung

Titel: Mord zur Bescherung
Autoren: Jean G. Goodhind
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in der Welt sollte es sich ein Gefangener antun, die Unterlagen eines Professors zu klauen, der hier Kurse abhielt?
    »Sind ja keine Aktien oder ein Mobiltelefon«, erzählte er später einem Kollegen, als sie zusammen Dienst taten. »Seid ihr mit dem Weihnachtsmann fertig?«
    Sein Kollege versicherte ihm, der Weihnachtsmann sitze fest hinter den nachgebildeten Fenstergittern. »Der kommt da so schnell nicht wieder raus. Aber jetzt machen wir besser hier weiter.«
    Lametta und Weihnachtskugeln wurden zur Seite geräumt, und es ging an die Schreibarbeit. Heute durften gleich zweiGefangene in die Freiheit, weil es nicht mehr lange bis Weihnachten war. Einer von ihnen hatte mit irgendeinem juristischen Trick seine vorzeitige Freilassung erwirkt. Er war der zweite an diesem Tag. Der erste hatte bereits vor zwei Stunden gehen dürfen. Es war keine gute Idee, die Leute in Gruppen aus dem Gefängnis zu entlassen. Zwei bildeten bereits ein Team. Gleich und gleich gesellt sich gern, aber wenn gleich und gleich zwei Ex-Knackis waren, dann barg das gewisse Gefahren, fand jedenfalls der Gefängnisdirektor, der sich für supergescheit hielt, wenn es um die Einschätzung Krimineller ging.
    »Frohe Weihnachten«, riefen die Wärter hinter dem zweiten entlassenen Häftling dieses Tages her.
    Der drehte sich nur um und zeigte ihnen den Stinkefinger.
    Die Wärter lachten.
    Sie bildeten sich beide ein, ihre Schützlinge gut zu kennen, sogar sehr gut.
    »Unterlagen über Geschichte. Welcher Trottel würde denn Notizen zur Geschichte oder den Stammbaum des Professors haben wollen? Ein bisschen Heroin oder eine Flasche Schnaps, okay, das ist schon was anderes.«
    Die beiden lachten über die Naivität des Mannes und wandten sich wieder ihren Aufgaben zu, in dem sicheren Wissen, dass sie die Menschen und ihr Verhalten besser kannten.
    Es hatte den ganzen Tag nach Schnee ausgesehen. Nun wehte das atlantische Tief einen eisigen Regen, der frisch und beißend nach Meer und Salz roch, vor sich her an die Küste. Es war früh dunkel geworden. Beladen mit dem verbliebenen Rest seiner Papiere, privater und nicht privater, rannte Professor Truebody zu seinem Auto, stapelte alles auf den Beifahrersitz und ließ heulend den Motor an.
    Alle vernünftigen Leute waren auf dem Heimweg, froh, dass es nur noch zwei Wochen bis Weihnachten waren. Die ganzVernünftigen waren schon zu Hause, geschützt vor dem aufziehenden Schneesturm und der frühen Dunkelheit. Die Nacht war finster, und die Straßen waren nass. Er fuhr also schön langsam, während er über seine Reise nach Europa nachdachte.
    Er lächelte vor sich hin. »Jake, du bist ein Glückspilz.«
    Das Licht seiner Scheinwerfer fiel auf eine einsame Gestalt, die an der Bushaltestelle nur etwa zweihundert Meter vom Gefängnis entfernt stand. Es war ein hoch aufgeschossener Mann, der ein Bündel unter dem Arm trug. Das Gesicht, das geradewegs ins Licht blinzelte, kam Jake bekannt vor. Der Mann war ein Gefangener und eifriger Besucher seines Geschichtskurses gewesen.
    Jake summte »God Rest Ye Merry Gentlemen« und fühlte sich gut. Richtig gut.
    Er hielt an und fragte den Ex-Knacki, ob er ihn irgendwohin mitnehmen könnte.
    »Ich glaube, ich weiß, wohin Sie wollen. Ich fahre Sie dahin. Dann müssen Sie nicht hier an der Haltestelle bis auf die Haut nass werden«, sagte er und verströmte aus jeder Pore Menschenfreundlichkeit.
    Eine Bö fuhr zur offenen Wagentür herein, als der Mann einstieg, und wirbelte die Papiere im Auto herum.
    Dahin – das war das Rehabilitationszentrum, in dem die meisten Ex-Gefangenen landeten, während sie noch auf Bewährung frei waren. Er überlegte, dass dieser Typ keine Ausnahme bildete, obwohl er den Anschein vermittelte, sich wirklich gebessert zu haben.
    »Was für ein Mistwetter«, fügte er noch hinzu.
    Der eben entlassene Sträfling nickte nur mit weit aufgerissenen Augen und seinem bleichen Gefängnisgesicht, das ab und zu von den Scheinwerfern der entgegenkommenden Autos in ein gespenstisches Licht getaucht wurde.
    Der Professor verspürte zu gleichen Teilen Mitleid undBeglückung, während er beobachtete, wie der Mann auf die bunten Weihnachtslichter, die Plastikschneemänner und beleuchteten Rentiere schaute, die vom Wind und Regen gepeitscht wurden – bisher war keine einzige Schneeflocke in Sicht.
    Jakes Begeisterung für sein Fach und seine Besorgnis um die weniger vom Glück begünstigten Menschen gingen mit ihm durch.
    »Sehen Sie mal, ich habe bemerkt,
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