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Mord zur Bescherung

Mord zur Bescherung

Titel: Mord zur Bescherung
Autoren: Jean G. Goodhind
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die roten Nasen den Rentieren ein gewisses Etwas verliehen.
    »Die hätten ohnehin rote Nasen haben sollen. Um diese Jahreszeit sollten das alle Rentiere haben.«
    »Ich frage mich, wo er die herkriegt. Der muss doch ein ganzes Lager voll besitzen.«
    »Völlig egal, wo er die herkriegt. Meiner Meinung nach befestigt er sie an der richtigen Stelle.«
    Honey fing an, das Lied von Rudolf Rotnase zu trällern. Sie war in bester Feststimmung – bis Mary Jane ihr das Handtuch vom Kopf nahm.
    »Arrgh!«
    Ein Blick in den Vergrößerungsspiegel, den sie aus dem Badezimmer mitgebracht hatte, genügte völlig, um jeden Gedanken an fröhliche Weihnachten zu verbannen. Vorsichtshalber überprüfte sie das Ergebnis noch einmal in dem eleganten Spiegel im Goldrahmen, der über der Anrichtehing. Auch da zeigte sich die Wirkung der Colorierung in ihrer ganzen Tragweite. Ihr Haar hatte nun eine Farbe, die man nur mit Neonkarotte beschreiben konnte.
    Honey schlug die Hände vor die Augen und schickte einen Wunsch gen Himmel. »Bitte, bitte, mach, dass es weggeht.«
    »Ach, komm schon«, drängte Mary Jane sie in ihrem breitesten kalifornischen Tonfall. »Wir haben doch alle ab und zu einen schlechten Tag mit unseren Haaren.«
    Honey schüttelte den Kopf und weigerte sich, der Welt ins Antlitz zu sehen. »Das ist nicht nur ein schlechter Tag mit meinen Haaren. Das ist die völlig falsche Farbe. Das ist desaströs.«
    »Desaströs?« Mary Jane schob ihre Brille halb die Nase herunter, nahm die Schachtel zur Hand, in der sich das Set zum Selbst-Colorieren befunden hatte, und überprüfte die Einzelheiten. Wenn sie die Stirn runzelte, sah man ihre Augen vor Fältchen beinahe gar nicht mehr.
    »Nein, so nennen sie das hier nicht. Hier auf der Schachtel steht ›Leuchtendes Kupfer‹. Jawohl! Das ist leuchtendes Kupfer.«
    »Karotte!«, schrie Honey, und Entsetzen schwang in ihrer Stimme mit. »Es ist leuchtende Karotte!«
    Mary Jane hatte nicht begriffen, dass Honey sie richtig verstanden hatte, und schaute noch einmal nach dem Farbnamen auf der Schachtel.
    »Nein, also hier steht ›Leuchtendes Kupfer‹.« Sie schüttelte verwirrt den Kopf und schnalzte mit der Zunge. »Ich habe die Anweisungen genau befolgt. Es kann höchstens daran liegen, dass irgendwas im Wasser ist, was die Farbschattierung beeinflusst.«
    Diese Aussage war wieder einmal typisch Mary Jane. Nie war es ihr Fehler. Nie. Sie gehörte zu der Gruppe von überausselbstbewussten Leuten, die überzeugt waren, alles zu können, selbst wenn das offensichtlich keineswegs der Fall war. Haarefärben konnte sie jedenfalls nicht.
    Honey war außer sich. »Also, das hier ist eindeutig nicht leuchtendes Kupfer, auch kein glühendes Kupfer oder irgendein sonstiges Kupfer, noch viel weniger Kastanienbraun. Sieh es dir doch nur an!«
    Mary Jane schaute hin, zuckte zusammen und lenkte ihren Blick auf einen kahlen Rosenstrauch vor dem Fenster.
    Vielleicht muss sie ihre Augen ausruhen, überlegte Honey. Niemand konnte diese Farbe lange anschauen, ohne Gefahr zu laufen, dass er erblindete.
    »So kann ich mich über Weihnachten nicht sehen lassen. Weckt mich einfach irgendwann Mitte Januar auf.« Sie war selbst schuld, überlegte sie, dass sie Mary Janes ColorierKünsten vertraut hatte. Sie versteckte ihren Kopf unter einem Kissen und stöhnte.
    Mary Jane strahlte immer noch völlig unvermindertes Selbstbewusstsein aus.
    »Ach, komm schon, Honey. Davon, dass du es nicht ansiehst, geht es auch nicht weg. Mir hilft ja immer Meditation, wenn die Dinge nicht nach Plan laufen. Zusätzlich genehmige ich mir dann ein intensives Gespräch mit Sir Cedric. Der gibt immer sehr gute Ratschläge.«
    Für Außenstehende, die sie nicht kannten und auch keine Ahnung hatten, wer Sir Cedric war, könnten Mary Janes Worte ziemlich philosophisch klingen, als wäre der längst verblichene Ritter ein Angestellter bei der Verbraucherberatung, der bei einem Caffè Latte und einem Sandwich weise Worte von sich gab. Tatsächlich war Sir Cedric aber tot, und zwar schon seit über zweihundert Jahren.
    »Frag ihn doch mal, ob er die Telefonnummer einer guten Coloristin hat.«
    Die Wahrscheinlichkeit, dass Sir Cedric in diesem Fall helfen konnte, ging gegen null, hauptsächlich, weil er nie in seinem Leben ein Telefon benutzt hatte, natürlich auch keine Coloristin kennen konnte, wenn sie es recht überlegte. Sir Cedric hatte eine Perücke getragen, dazu enge Kniehosen und weiße Seidenstrümpfe. Die Haare oder
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