Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Urmel taucht ins Meer

Urmel taucht ins Meer

Titel: Urmel taucht ins Meer
Autoren: Max Kruse
Vom Netzwerk:
Wutz entdeckt, wie begabt sie ist
     
    Man mag sagen, was man will: am
schönsten ist es doch auf der Insel Titiwu, die mitten unter dem Äquator liegt.
    Weder in der Stadt Winkelberg
noch auf dem Planeten Futura ist es so friedlich. Zwar hatten sie auch hier
schon viele aufregende Abenteuer erlebt — wer sie noch nicht kennt, kann auf
der letzten Seite dieses Buches etwas darüber erfahren — , aber schließlich
waren ja alle immer wieder gut ausgegangen.
    Und so stellt Wutz stets aufs
neue mit Recht fest, wie schön Titiwu ist. Zum Beispiel, wenn sie morgens gut
gelaunt in ihrer Schlummertonne aufwacht. Sie summt es vor sich hin, wenn sie
dem Professor das Arbeitszimmer im Blockhaus auf räumt und die buntkarierte
Bettwäsche zum Lüften aufs Fensterbrett in die pralle Sonne legt.
    Sie empfindet dies auch, wenn
sie ihren freien Nachmittag nimmt und am Strand spazierengeht. Zuerst hatte sie
ja keinen freien Nachmittag haben wollen, denn es gab schließlich immer etwas
zu putzen und zu schrubben: sei es nun der Herd, die Porzellantassen oder des
Professors Pantoffeln, die sie mit der Kleiderbürste bearbeitete.
    Aber der Professor hatte darauf
bestanden, daß sie sich wenigstens einmal in der Woche erholte. Sie wurde ihm
nämlich oft etwas lästig. Ständig klirrte, klapperte und fegte sie in der Stube
herum, und natürlich störte ihn das. Besonders, wenn sie von ihm verlangte, er
möchte ihr doch helfen, den Tisch beiseite zu rücken, damit sie darunter
wischen könne, öfföff!
    Wenn Wutz aber ein paar Stunden
frei machte, dann hatte er wenigstens so lange Ruhe vor ihr. Und so einigten
sie sich schließlich auf einen Nachmittag in der Woche. Und als sich Wutz erst
einmal damit abgefunden hatte, begann sie es sogar schön zu finden. Etwas
langweilig — aber schön! Sie fühlte sich mit einem Hauch von Vornehmheit
umgeben.
    Jeden Mittwochnachmittag also
machte sie sich nun schön zum Ausgehen. Sie bürstete sich die spärlichen
blaßblonden Härchen in die Stirn, sie stand vor des Professors Spiegel und
spitzte die Schnauze, um sie von allen Seiten zu betrachten, sie band sich ein
rotes Band um den Hals, und schließlich spannte sie den kleinen roten
Sonnenschirm auf, den ihr Tim Tintenklecks gebastelt hatte, und tänzelte zur
Tür hinaus.

    «Auf Wiedersehen, Professor!»
quiekte sie. «Du brauchst mich nur zu rufen, wenn du etwas möchtest...»
    «Ja, danke! Nun geh schon!»
antwortete dieser geistesabwesend. Und kaum war sie aus der Tür, fing er an,
nach seiner Brille zu suchen. Doch hütete er sich wohl, es Wutz zu sagen.
Außerdem fand er sie gleich dort, wo sie immer war: auf seiner Stirn. Er hatte
es sich ange wöhnt,
sie emporzuschieben, wenn er einen besonderen Gedanken hatte. Und das kam bei
Professor Habakuk Tibatong außerordentlich häufig vor.
    Wutz begab sich an den Strand.
Unter dem Sonnenschirm schritt sie dort auf und ab. Sie spielte mit sich selbst
die verschiedensten Spiele, zum Beispiel: vornehme Dame im Seebad. Sie ließ
sich auf einem Stein nieder und tat so, als ob sie in einer Kaffeetasse rühre.
Sie führte diese zierlich zum Mund und beugte sich zur Seite, wo eine andere
vornehme Dame mit ihr am Kaffeetisch saß — wie sie sich vorstellte — , und
plauderte über das Wetter und über die Schwierigkeiten, in dieser Sonne den
Teint blaß zu halten. Teint spricht man Tän, das N muß wie durch eine
verstopfte Nase klingen, dann ist es richtig. Es ist der französische Ausdruck
für Hautfarbe.
    Als sie wieder einmal auf diese
Weise mit sich selbst spielte, durchzuckte sie ein freudiger Schreck. Sie verschluckte
sich sofort an dem eingebildeten Eis, das sie gerade löffelte: Eisbecher mit
Sahne.
    «O du saftige Rübe!» sagte sie
zu sich selbst. «Ich bin ja die geborene Schauspielerin! Nicht nur das: Ich
erfinde Geschichten! Ich habe Talent! Ich bin eine Schriftstellerin! Wie
herrlich! Oh, ich wußte immer, daß etwas Besonderes in mir steckt!»
    Sie war so benommen und
beglückt von dieser großartigen Entdeckung, daß sie alles andere vergaß, nur
noch stocksteif dasaß und vor sich hin starrte. «Eine Schauspielerin, eine
Dichterin!» murmelte sie wieder und wieder.
    Das Urmel, Wawa und Ping
Pinguin erlebten diesen denkwürdigen Moment als Beobachter mit. Wawas und Ping
Pinguins Behausungen lagen nämlich in der Nähe. Wawa schielte durch den Spalt
zwischen Schale und Deckel seiner Riesenmuschel. Ping Pinguin hockte in der
Kunststoffmuschel, die ihm Neschnem-Kopf Otto auf dem Planeten
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher