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Mord ist auch eine Lösung

Mord ist auch eine Lösung

Titel: Mord ist auch eine Lösung
Autoren: Jean G. Goodhind
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Cybils bessere Natur appellieren.
    »Die Dinger hier sind nicht besonders bequem«, sagte sie und deutete mit dem Kopf auf die Fußeisen.
    »Sie gewöhnen sich schon noch dran, meine Liebe«, antwortete |296| Cybil mit einem wässrigen Lächeln, wie Großmütter ein Enkelkind anlächeln, das sein Gemüse nicht essen mag.
    »Mögen Sie Katzen?«, fragte Cybil plötzlich.
    »O ja! Ich liebe sie!« Honey hätte nicht begeisterter klingen können.
    »Das höre ich gern.«
    Cybil legte sich die Luger quer über den Schoß. Honey schluckte. Was für eine Wahl! Entweder an die Wand gekettet bleiben oder von einer Kugel getötet werden. Die zweite Möglichkeit wollte sie lieber gar nicht erst in Betracht ziehen. Sie überlegte, wie sie weiterverhandeln könnte, versuchte krampfhaft, sich an irgendeinen Tipp zu erinnern, wie man mit Geiselnehmern umgehen sollte. Erste Regel, man musste sich mit ihnen anfreunden, die Beziehung auf eine sehr persönliche Basis stellen. Ihre Sympathie erwerben. Na ja, das hatte sie bereits versucht, aber ein zweiter Anlauf war sicherlich keine schlechte Idee.
    »Es ist ziemlich kalt hier unten.«
    Nicht die originellste Gesprächseröffnung, aber irgendwo musste man ja anfangen.
    Cybil hatte sie anscheinend nicht gehört. Sie saß zurückgelehnt auf einem alten Windsor-Stuhl, der ziemlich staubig war und deutliche Abnutzungserscheinungen zeigte – ein bisschen wie Cybil Camper-Young selbst.
    Honey fragte sich, ob sie sich das vielleicht nur einbildete, aber das alte Gesicht wirkte noch ein wenig blasser als vorhin. Es sah ganz so aus, als wäre die dürre Gestalt, die bestimmt knapp unter eins achtzig gewesen war, ziemlich in sich zusammengesackt.
    »Miss Camper-Young? Geht es Ihnen gut?«
    Die alten Augen fielen langsam zu. Cybil schüttelte den Kopf. »Sie kommen hier nicht raus. Ich habe die Tür abgeschlossen.«
    Honey wiederholte ihre Frage noch einmal laut.
    »Oh, ich fühle mich gar nicht wohl …«
    |297| »Meine Mutter hat mir gesagt, dass Sie sehr krank sind. Vielleicht gehen wir besser nach oben und machen uns eine Tasse Tee oder besser noch eine Tasse heiße Schokolade …«
    Alles, was du willst, nur erschieß mich nicht oder lass mich hier unten vermodern.
    Sie unternahm einen neuen Versuch. »Ich habe mächtigen Hunger. Ich könnte jetzt ein Sandwich vertragen.«
    Das Schinkenbrot aus dem Pub zählte nicht. Das hatte ja nur der Informationsbeschaffung gedient. Hier ging es um eine lebenserhaltende Maßnahme.
    Miss Camper-Young blieb völlig ungerührt. Ihre Augen waren nach wie vor geschlossen. Ihr Mund stand offen. Dann stieß sie einen langen Seufzer aus.
    »Ich kann mitkommen und das Sandwich selbst machen, wenn Sie sich zu schwach fühlen.« Letzter verzweifelter Versuch.
    Honey hielt inne. So wie Miss Camper-Young aussah, war sie wirklich viel zu schwach dafür.
    »Miss Camper-Young? Cybil?«
    Keine Antwort.
    Panik stieg in Honey auf.
    »Ich glaub es nicht! Ich kann es nicht glauben, dass Sie jetzt einfach hier gestorben sind!«
    Sie schrie Cybil an. »He, Sie!«
    Ein leises Todesröcheln entrang sich dem Mund von Miss Camper-Young.
    »Ach du Scheiße!«
    Honey rasselte mit den Ketten. Na großartig! Was für eine Wahnsinnssituation! Sie war an Händen und Füßen gefesselt. Die anderen Enden der Ketten waren fest mit den kalten Steinwänden des ehemaligen Dorfgefängnisses verbunden. Der Ausgang lag ein paar Stufen hoch zu ihrer Rechten. Die Tür oben war verschlossen. Das war natürlich kein Problem. Miss Camper-Young hatte die Schlüssel und war nicht mehr in der Lage zur Gegenwehr, wenn sie die jetzt an sich nahm. Aber wie sollte sie zu ihr herüberkommen? |298| Die Ketten würden sich nicht so weit dehnen lassen, das konnte sie schon ohne Probieren sagen. Sie würden sich überhaupt nicht dehnen lassen.
    Aber sie waren sehr alt. Honey riss kräftig daran, in der Hoffnung, dass die Ringe in der Wand vielleicht im Laufe der Jahre verrostet waren. Keine Chance. Damals hatte man Fußeisen noch so gemacht, dass sie die Jahrhunderte überdauerten.
    Vielleicht hatte sie sich geirrt, und ihre Kidnapperin war nur eingeschlafen. Also versuchte sie es mit Schreien: »Cybil, du verrückte alte Schrulle! Wach auf! Ich hab Hunger! Ich will nach Hause!«
    Kein Ton. Nicht der geringste Mucks. Miss Cybil Camper-Young, eine Frau, die für den Secret Service gearbeitet und ein ziemlich außergewöhnliches Leben geführt hatte, war mausetot.
    Honey blickte zu der fest verschlossenen Tür
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