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Mord in Londinium

Titel: Mord in Londinium
Autoren: Lindsey Davis
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geltend zu machen.«
    »Das wirft ein interessantes Licht auf die britannische Situation.« Helena saß auf einem Korbstuhl von der Art, die sie am liebsten mochte. Die Hände über einem gewebten Gürtel gefaltet und die Füße auf einer kleinen Fußbank, hätte sie für die Gedenksteine unterwürfiger Gattinnen Modell sitzen können. Ich wusste es besser. Groß gewachsen, anmutig und ernst, las Helena Justina sehr viel und hielt sich über weltliche Dinge auf dem Laufenden. Dazu geboren, Senatorenkinder auszutragen und großzuziehen, vermittelte sie den meinen Kultur und gesunden Menschenverstand. Und sie behielt mich in der Hand. »Als Vertreter des Fortschritts hatten wir den Großen König: ein idealer Provinzmonarch – zivilisiert, begierig darauf, Teil des Imperiums zu sein, absolut fortschrittsgläubig. Dann war da Verovolcus, sein engster Berater, im Herzen immer noch ein Stammeskrieger. Den römischen Projektleiter zu ermorden war für den König abstoßend, aber Verovolcus verehrte dunklere Götter.«
    »Ich habe nie ausführlich über seine Motive nachgedacht«, gab ich zu. »Also war es wirklich nur eine künstlerische Fehde, die aus dem Ruder lief – oder war es politischer? Drückte Verovolcus den Hass der Barbaren auf Rom aus?«
    »Wie hat er reagiert, als du ihn mit dem Verbrechen konfrontiert hast?«, fragte Aelia Camilla.
    »Er kochte vor Wut. Hat alles abgestritten und geschworen, es mir heimzuzahlen.«
    »Genau wie jeder andere in die Enge getriebene Verbrecher«, bemerkte Helena. Unsere Blicke trafen sich. Solche allgemeinen Diskussionen machten mich unruhig. Ein privater Schlafzimmeraustausch wäre mir wesentlich lieber gewesen.
    »Also, Marcus, damit ich es richtig verstehe«, drängte ihre Tante weiter. Sie lehnte sich gegen das bestickte Kissen in ihrem Rücken, wobei sich ihre Armreifen bewegten und kleine goldene Lichtpunkte über die kunstvolle Kassettendecke huschten. »Du hast Verovolcus gesagt, er würde nicht des Mordes angeklagt werden, müsse aber ins Exil gehen. Die Strafe für einen Römer wäre die Ausweisung aus dem Imperium.«
    »Aber für ihn schlug ich Gallien vor.«
    Wir lächelten alle. Gallien war schon länger Teil des Imperiums als Britannien, doch wir waren Römer, und für uns gehörte selbst Gallien zum Hinterwäldlerterritorium.
    »Er hätte von Novio direkt nach Gallien segeln können.«
    Gaius’ nachdenkliche Stimme von seiner Liege aus bewies mir, dass ich Recht hatte: Er hatte zugehört.
    »Stimmt. Ich ging davon aus, dass er das tun würde.«
    »Würde ein Ritt nach Londinium für seine Freunde nicht vielleicht weniger offensichtlich sein? Weniger beschämend?« Maia mochte Rätsel.
    »Oder war er unterwegs zu einem anderen Ziel?«, versuchte es Helena. »Nein. Wenn man sich in Londinium ein Transportmittel sucht, geht es immer direkt hinüber nach Gallien. Er gewann nichts dadurch, hierher zu kommen.«
    Petronius sprach, mürrisch wie ein schlecht gelauntes Orakel: »Hinter Britannien gibt es nichts mehr. Der einzige Weg ist zurück!« Er hasste Britannien.
    Genau wie ich. Das überspielte ich, solange ich Gast des Prokurators war. Hilaris war schon so lange in Britannien, dass er die nostalgische Sehnsucht nach der wirklichen Welt verloren hatte. Tragisch.
    »Wenn Verovolcus nach Londinium kam«, sinnierte Aelia Camilla, »hätte er sich dann verstecken müssen?«
    »Vor mir?« Ich lachte. Wie es auch zu viele meiner Freunde und Verwandten taten.
    »Er dachte, er sei ein Flüchtling, aber in Wahrheit«, sagte Aelia Camilla zurückhaltend, »hattest du dem Statthalter nichts davon erzählt!« Ich versuchte, mich nicht schuldig zu fühlen. »Das wusste Verovolcus nicht. Hat er sich vielleicht deswegen in diese üble Gegend verkrochen?«
    »Welche üble Gegend, Falco?«, fragte Petronius. Eine berufsmäßige Frage. In Rom war er ein Mitglied der Vigiles.
    »Eine Schenke in einer dreckigen Gasse.«
    »Welche Schenke?« Zumindest hatte er sich berappelt und zeigte wieder Interesse. Petro war ein großer, aktiver Mann, der sich in schönen Innenräumen eingesperrt zu fühlen schien. Er hätte sich auf einer gepolsterten Liege mit Löwenkopffüßen entspannen können, wie ich es tat, aber er zog es vor, das zu übersehen, was hier als Bequemlichkeit durchging, umklammerte unbequem seine Knie auf dem niedrigen Hocker und scharrte die Wollteppiche mit seinen robusten Militärstiefeln auf.
    Ich verspürte ein seltsames Widerstreben, ihm von dem Tatort zu erzählen.
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