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Mord in Londinium

Titel: Mord in Londinium
Autoren: Lindsey Davis
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»Ein paar düstere kleine Baracken hinter den Kais.«
    »Wo genau, Falco?« Seine braunen Augen sahen mich durchdringend an. Petronius spürte, wenn ich ihn aus irgendeinem Grund hinhielt. »Wie kommt man dort hin?«
    »Du willst doch nicht sagen, dass du es dir anschauen willst?«
    »Nehmen Sie die Straßen vom Forum hinab, biegen Sie links ab und gehen Sie in die schlimmsten Gassen, die Sie sehen«, erklärte Hilaris. »Die Schenke heißt ›Goldener Regen‹ – ziemlich unpassend. Draußen an der Wand war eine verblasste Zeichnung. Hast du die bemerkt, Falco?« Hatte ich nicht. Die Bruchbude war kaum der Ort, wo Jupiter, verkleidet als goldener Regen – oder was auch immer –, durch ein Fenster hereinschießen würde, um sich in die Arme seiner Angebeteten zu werfen. Die Schankkellnerin, die wir dort angetroffen hatten, würde Götter mit Sicherheit abweisen. »Welches Interesse haben Sie daran, Lucius Petronius?«, fragte Hilaris dann. Er sprach höflich, aber ich schätzte, er betrachtete Petro als ein unbekanntes Element, das man unter Beobachtung halten sollte.
    »Überhaupt keins.« Petro hatte sämtliches Interesse verloren. Anscheinend.
    »Außerhalb unserer Zuständigkeit«, sagte ich mitfühlend. Petro vermisste Rom.
    Er warf mir ein bitteres, ziemlich zweideutiges Lächeln zu. Er vermisste sogar seine Arbeit, wie es schien. Vielleicht quälte ihn sein Gewissen. Ich hatte ihm immer noch nicht entlocken können, wie er es geschafft hatte, sich zwei Monate Urlaub zu nehmen. Ich wusste, dass er sich zwischen zwei Posten befand, aber mit seiner Bitte um Versetzung vom Aventin musste er sich sämtliches Wohlwollen seines alten Vigilestribuns verscherzt haben. Der neue würde Petro vermutlich so schnell wie möglich in seinem Wachlokal haben wollen.
    »Jede Schenke ist ein guter Hafen für Lucius Petronius!«, meinte meine Schwester bissig. Sie hatten sich gestritten, seit Petro uns erreicht und ihr ihre Kinder gebracht hatte. Er hatte ihr einen Gefallen getan – was Maia überhaupt nicht so sah.
    »Gute Idee«, schnauzte Petro zurück, sprang auf und schlenderte zur Tür. Früher wäre ich hinter im hergelaufen, aber ich war inzwischen ein guter Ehemann und Vater. (Na ja, in der Öffentlichkeit gelang es mir meist, mich wie ein solcher zu gebärden.) Helena sog besorgt an ihren Zähnen. Maia warf Petro einen überlegenen Blick nach. Aus Zufall oder absichtlich knallte er hinter sich die Tür zu.
    Der Prokurator und seine Frau bemühten sich, nicht zu zeigen, wie überdrüssig sie der Streitereien zwischen ihren Gästen waren.
    Ich schloss die Augen und tat, als würde ich einnicken. Keiner fiel darauf herein.

V
     
     
     
    »Bisher war ich der Meinung«, beschwerte sich Helena später bei mir, als wir allein waren, »dass Lucius Petronius und Maia beide zu entscheiden versuchten, was sie wollen. Leider scheinen sie das inzwischen zu wissen – und sie wollen einander nicht.«
    Meine Schwester und mein Freund hatten beide eine tragische Vergangenheit. Petro, der einst anscheinend solide, häuslich und nett zu Katzen gewesen war, hatte sich in eine haarsträubende Affäre gestürzt. Er war schon vorher fremdgegangen, aber bei dieser handelte es sich um die Frau eines Kriminellen, was eine Katastrophe war. Selbst sein Tribun reagierte empfindlich darauf, und Petros Frau ließ sich von ihm scheiden. Silvia nahm ihre gemeinsamen Töchter mit nach Ostia, wo sie jetzt mit einem mickrigen Salatverkäufer zusammenlebte; sie demütigte Petronius, wo sie nur konnte.
    Maia, die ein ebenso geregeltes Leben geführt hatte, war plötzlich Witwe geworden. So was wird oft begrüßt, aber selbst die Penner und Nichtsnutze, die meine Schwestern heirateten, wurden selten in tripolitanischen Arenen von Löwen gefressen, nachdem sie wegen Blasphemie zum Tode verurteilt worden waren. Wenige Familien auf dem Aventin konnten mit so etwas angeben, und wir versuchten, um Maias Kinder willen, Stillschweigen über die Entehrung zu bewahren. Darüber lügen zu müssen trug zweifellos zu ihrem Gefühl der Vereinsamung bei. Sie hatte auch andere Fehler begangen. Schlimme Fehler. Zum einen hatte sie sich mit Anacrites, dem Oberspion, zum Narren gemacht. Das war eine Situation, über die wir überhaupt nicht sprechen konnten.
    »Ich dachte, sie bräuchten bloß Zeit«, seufzte Helena.
    »Oh, man könnte sie auch jetzt noch zusammentreiben – aber man bräuchte einen langen Stock dazu.« Petronius Longus war ein großer, kräftiger
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