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Mord in Londinium

Titel: Mord in Londinium
Autoren: Lindsey Davis
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gemeinschaftliches. Diplomaten sind daran gewöhnt. Das Mittagessen hatte ohne den Statthalter stattgefunden; Frontinus hatte ein Tablett mit in sein Büro genommen. (Wohingegen er beim Abendessen, das immer formell und eine ziemliche Strapaze war, präsidierte.) Daher verspeisten der Prokurator und seine Frau sandiges Brot und verschrumpelte Oliven in alleiniger Gesellschaft der vier Erwachsenen aus meiner Reisegesellschaft. Das Paar war gastfreundlich. Als es darauf bestanden hatte, dass ich Helena Justina zu einem Besuch herbringen sollte, hatte es gewusst, dass wir von unseren beiden kleinen Töchtern begleitet wurden – aber nicht, dass ich auch noch meine launische Schwester, ihre vier lebhaften Kindern, zwei ausgelassene Hunde und meinen mürrischen alten Freund Petronius dabeihatte. Zum Glück waren die beiden ständig streitenden Brüder Helenas und mein großmäuliger Neffe im Süden geblieben, um jagen und saufen zu gehen. Sie konnten jeden Moment hier auftauchen, aber das hatte ich noch nicht erwähnt.
    Hilaris, dem ich nähere Einzelheiten versprochen hatte (während ich gleichzeitig hoffte, genau das vermeiden zu können), lag auf einer etwas entfernt stehenden Leseliege, offenbar vertieft in eine Schriftrolle. Ich wusste, dass er zuhörte. Seine Frau sprach für ihn, so wie Helena oft meine Besucher befragte – ob ich anwesend war oder nicht. Der Prokurator und seine Frau teilten sich ihre Gedanken mit, genau wie wir es taten. Wir beide führten wahrhafte römische Ehen: vertrauten unseren ernsten, empfindsamen Frauensleuten Dinge an, die wir niemals unseren männlichen Freunden erzählt hätten. Das hätte zur Dominanz der Frauen führen können – aber die weiblichen Mitglieder der Familie Camillus waren sowieso willensstark. Das war der Grund, warum ich mein Eheweib so mochte. Keine Ahnung, ob das auch auf Hilaris und das seine zutraf.
    Petronius Longus, mein bester Freund, fand das nicht gut. Aber er war dieser Tage insgesamt ein Miesepeter. Er war nach Britannien gekommen, um entweder mich oder meine Schwester zu sehen, und mit uns nach Londinium gereist, doch offenbar wollte er eigentlich nur nach Hause. Momentan hockte er auf einem Schemel und schaute gelangweilt. Allmählich wurde er peinlich für mich. Er war in Gesellschaft früher nie ungesellig oder unbeholfen gewesen. Helena glaubte, er sei verliebt. Wohl kaum. Irgendwann war er hinter Maia her gewesen, aber sie sprachen kaum noch miteinander.
    »Also, Marcus, Verovolcus war in Schwierigkeiten. Erzähl uns, was mit dem Architekten passiert ist«, gab mir Aelia Camilla das Stichwort. Für eine Diplomatenfrau verhielt sie sich informell, dabei war sie eigentlich schüchtern, und ich hatte immer noch nicht herausbekommen, welchen ihrer beiden Namen sie im persönlichen Gebrauch vorzog.
    »Das ist leider vertraulich.«
    »Vertuscht?«, warf Helenas Tante gleich ein. Man konnte ihren großen dunklen Augen unmöglich ausweichen. Es war mir immer schwer gefallen, in ihrer Anwesenheit den harten Mann zu spielen. Während sie sich sanft und schüchtern gab, hatte sie mir stets alle möglichen Antworten abgeluchst. »Also, wir stehen alle im Regierungsdienst, Marcus. Wir wissen, wie diese Dinge laufen.«
    »Ach, es war ziemlich blöd.« Als ich nachgab, spürte ich Helena lächeln. Sie liebte es, wenn ihre Tante die Oberhand über mich gewann. »Vorstellungen, die aufeinander prallten. Der König und sein Architekt waren wie zwei Kampfhähne, und Verovolcus nahm es auf sich, den Geschmack seines königlichen Herrn auf extreme Weise zu verteidigen.«
    »Ich habe Pomponius kennen gelernt«, sagte Aelia Camilla. »Ein typischer Künstler. Er wusste genau, was seinem Klienten zu gefallen hatte.«
    »Stimmt. Aber König Togidubnus befindet sich jetzt in der dritten Umbauphase seines Palastes; er hat feste Ansichten und kennt sich sehr gut mit Architektur aus.«
    »War das, was er verlangte, zu teuer? Oder wollte er dauernd Änderungen haben?« Aelia Camilla kannte alle Fallstricke öffentlicher Bauvorhaben.
    »Nein, er weigerte sich nur, Entwürfe zu akzeptieren, die ihm nicht gefielen. Verovolcus bekam das alles ab; er sollte zwischen den beiden vermitteln, aber Pomponius verabscheute ihn. Verovolcus wurde für ihn zu einer bloßen Null. Der Brite räumte Pomponius aus dem Weg, damit ein gefügigerer Architekt das Projekt übernehmen konnte. Es klingt verrückt, aber ich glaube, es war für ihn die einzige Möglichkeit, seine eigene Kontrolle wieder
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