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Mord im Tal der Koenige - Historischer Roman

Titel: Mord im Tal der Koenige - Historischer Roman
Autoren: Cay Rademacher
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Waffengeklirr zu hören; jeden Moment fürchtete er, von einer harten Hand an der Schulter gepackt und aus seinem lächerlichen Versteck gezogen zu werden, um neben der Strafe auch noch die Schande über sich ergehen lassen zu müssen. Doch alles blieb ruhig. Als seine Lungen zu platzen schienen, kam er vorsichtig wieder hoch, bereit, sofort wieder wegzutauchen.
    Doch durch den Wasserschleier vor seinen Augen sah er nur Shedemde, die an der Einfassungsmauer stand und ihn spöttisch anstarrte.
    »Ein Nilpferd hätte es nicht besser machen können als du, Herr«, bemerkte sie lachend. »Die Luft ist rein, mein Herr Userhet ist im Palast verschwunden.«
    Rechmire schüttelte sich wie ein begossener Straßenköter und versuchte vergeblich, irgendwie würdevoll aus dem Teich zu schreiten.
    »Das ist nicht lustig«, grollte er die Sklavin an, während er seinen Lendenschurz auswrang. Jeder Schritt mit seinen feuchten Sandalen hörte sich an, als schlüge eine Wäscherin nasse Tücher auf einen Stein.
    »Ich habe rechtzeitig geklopft«, erinnerte ihn Shedemde halb spöttisch, halb beleidigt, »aber du wolltest nicht hören.«
    Rechmire verzichtete auf eine Antwort und trottete ihr die wenigen Schritte bis zur Pforte hinterher. Er fröstelte, obwohl es trotz der frühen Stunde schon sehr warm war.
    »Wenn meine Herrin es befiehlt, werde ich dich wieder holen kommen«, flüsterte Shedemde, als sie die Tür in der Mauer öffnete. Dann entließ sie ihn auf die Straßen von Theben.
    Rechmire schlüpfte auf eine große, schnurgerade Straße, die an der langen, dreifach mannshohen, weiß verputzten Außenmauer des Palastes entlangführte. Genau gegenüber lag ein kleiner Park, in dem Akazienbäume und Sykomoren Schatten spendeten, etwas weiter zu beiden Seiten begrenzten die hohen Mauern anderer Anwesen den Blick. Die halbe Straße lag noch im Schatten des ersten Pylons des Tempels von Karnak, einer gewaltigen, mit farbigen Reliefs und Hieroglyphen geschmückten Wand, die fast bis in den Himmel zu ragen schien. Auf dem waagerechten Gesims standen acht baumhohe hölzerne Pfosten, deren Spitzen mit Elektron vergoldet waren, das in der aufgehenden Sonne rot erglänzte. Lange grüne, gelbe und blaue Stoffbahnen flatterten von den Pfosten in der leichten Brise, die vom Nil her wehte – Symbole des Lebenshauches, mit dem Amun täglich die Welt erfüllte.
    Die Straße war leer. Rechmire sah sich hastig um, dann wandte er sich nach rechts und ging eilig in Richtung der Viertel rund um den Hafen. Als er die Straße der Reichen hinter sich gelassen hatte, tauchte er erleichtert ein in das Durcheinander der ärmeren Viertel Thebens. Er hatte sein ganzes Leben in der Stadt verbracht und kannte doch noch immer nicht alle Wege durch das Gewirr planlos angelegter, enger Gassen, deren Lehmboden von Tausenden Füßen festgestampft worden war und aus dem doch immer noch Staubwölkchen aufstiegen, wenn er mit seinen Sandalen gegen eine der zahlreichen Unebenheiten stieß. Oft waren sie nicht mehr als kleine Durchschlupfe, kaum zwei, drei Armlängen breit, zwischen den schmutzig-weiß verputzten Außenwänden niedriger Häuser, deren abweisendes Äußeres nur von bunt bemalten hölzernen Pforten und wenigen Luftschlitzen durchbrochen wurde.
    Hier waren schon viele Menschen auf den Beinen, auch wenn es noch nicht, wie es einige Stunden später der Fall sein würde, so gedrängt zuging, dass man sich nur noch mit den Ellenbogen einen Weg bahnen konnte. Rechmire stieg über mehrere Betrunkene, die, drei Bierkrüge noch neben sich, ihren Rausch auf einer Gasse ausschliefen. Sklaven eilten aus den Palästen der Reichen zum Markt am Hafen; einige trugen große Körbe aus Bast, um die Waren tragen zu können, andere schwere, lange Knüppel aus Ebenholz, damit kein Armer auf die Idee käme, von den Köstlichkeiten zu stehlen. Zwei Wasserträger schritten tief gebeugt unter der Last ihrer großen Krüge durch eine Gasse und achteten nicht auf eine Horde kleiner, nackter Kinder, die mit Dattelkernen nach einer dösenden Katze geschnippt hatten, dann aber laut kreischend auf die beiden Träger zielten. Überall saßen Familien beim Frühstück auf den Dachterrassen und genossen die wenigen morgendlichen Augenblicke, in denen es dort noch nicht unerträglich heiß war.
    Rechmire sog den Duft Thebens ein. Noch war die Luft klar, denn die Steinschneider, die Blöcke für die Tempelbauten oder große Statuen schnitten, hatten ihre Arbeit noch nicht aufgenommen,
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