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Mord im Tal der Koenige - Historischer Roman

Titel: Mord im Tal der Koenige - Historischer Roman
Autoren: Cay Rademacher
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unaufhörlich durch die Halle.
    Er tunkte das zerfaserte Ende der Binse ins Wasser und strich dann über den schwarzen Farbtiegel, atmete noch einmal tief durch und machte sich ans Werk.
    »Um das Herz seines Herrn zu erfreuen und seinem Herrn mitzuteilen, dass er alle Aufträge ausgeführt habe, die ihm aufgegeben worden waren, sodass sein Herr ihn nicht zu tadeln nötig habe, schreibt Rechmire seinem Herrn dies.«
    Er kniff die Augen zusammen. Es war gut, unterwürfig zu sein, denn das liebten die höheren Schreiber. Noch mehr aber liebten sie fehlerfreie Briefe, in denen stets die richtigen Hieroglyphen gewählt sowie diese korrekt und vor allem gut lesbar gemalt worden waren.
    Rechmire warf einen scheuen Blick auf eine leere Matte in der Reihe links hinter ihm. Ahmose hatte gestern irgendeinen Fehler gemacht. Niemand wusste, was das für einer gewesen sein könnte, niemand wagte zu fragen. Doch ihr Herr, der Vorsteher der Aufträge des Tschati, ein kleiner Mann, der zu Zornausbrüchen neigte, war wutentbrannt mit einigen Medjai in ihre Halle gestürmt und hatte Ahmose vor den Augen der anderen Schreiber mit langen Knüppeln so lange durchprügeln lassen, bis er nicht mehr vor Schmerzen geschrien hatte. Dann waren Sklaven gekommen, um den Bewusstlosen, dessen Rücken ausgesehen hatte, als hätte ihn dort ein Krokodil angefallen, aus dem Raum zu schleppen. Keiner wusste, ob Ahmose je wiederkehren würde, ja nicht einmal, ob er überhaupt noch lebte. Keiner wagte es, sich nach seinem Schicksal zu erkundigen.
    Sie waren Schreiber, keine Freunde. Sie waren wie Hyänen, die gemeinsam jagten, aber sofort über jeden aus der eigenen Gruppe herfielen, der eine Schwäche zeigte. Alle träumten wie Rechmire von Reichtum, Ruhm und Macht; alle wussten, dass es nur wenigen vergönnt sein würde, einst beim Pharao Oberster der königlichen Entscheidungen, Oberster der Geheimnisse des Morgengemaches oder ein anderer Würdenträger zu werden; und alle wussten, dass die Männer auf den anderen Matten die Konkurrenten auf dem Weg nach oben waren.
    Rechmire rieb sich die Augen und konzentrierte sich. Nach der Nacht mit Baketamun fühlte er sich müde. Am liebsten hätte er sich in den Schatten seiner Sykomore gelegt und den Tag verdöst. Doch er durfte keinen Fehler machen, sonst erginge es ihm wie Ahmose.
    Rechmire war im Haus des Lebens beim Ptah-Tempel ausgebildet worden. Ptah wurde vor allem in Memphis verehrt, der alten Hauptstadt der Beiden Reiche, viele Reisewochen nilabwärts gelegen. In Theben hatte er nur ein kleines Heiligtum, das im Schatten der nördlichen Mauer des großen Tempels des Amun stand. Er hatte die Söhne der wohlhabenderen Familien – die wirklich Reichen ließen ihre Kinder im Haus des Lebens des Amun-Tempels ausbilden, des wichtigsten Heiligtums Thebens und des ganzen Landes Kemet – um die Kopflocke beneidet, die die rechte Schläfe ihres ansonsten kahl rasierten Schädels geziert hatte. Rechmire und die anderen armen Kinder trugen ihr Haar kurz, weil ihre Eltern nicht genug Silber und Kupfer aufbringen konnten, um ihren Söhnen einen aufwändigen Kopfputz zu gönnen.
    Doch Rechmire hatte sich bemüht, seine Armut durch Klugheit und Fleiß wettzumachen. Und tatsächlich durfte er schon mit sechzehn Jahren das Haus des Lebens verlassen, um dem Tschati zu dienen. Er war mit den Landvermessern, Steuerpächtern und Medjai in der Zeit nach der Überflutung über das Land gezogen, als die zurückweichenden Wasser die Felder wieder freigaben, aber regelmäßig viele Grenzsteine mit sich rissen. Die Felder wurden neu markiert und immer wieder war es dabei unter den Bauern zu Streit gekommen, weil jeder behauptete, dass sein Acker vor der Überflutung größer gewesen sei als der Teil, der ihm jetzt ausgemessen worden war. Wochen später war Rechmire dann wieder hinausgezogen, um die Abgaben in langen Listen zu registrieren. Wie viele Hekat Getreide hatte der Bauer geliefert? Wie viele Rinder führte der Hirte vor? – Und wie viele hätten es sein sollen? Die Steuerpächter hatten schon zur Zeit der Überschwemmung bestimmt, welche Mengen jeder Untertan abzuliefern hatte, und wehe dem Bauern, wehe dem Hirten, der weniger brachte! Rechmire hatte gesehen, wie sie durchgeprügelt worden waren; und mancher, der sich hartnäckig weigerte, mehr zu geben, wurde zum Nil geschleift und in der Nähe einer Sandbank, auf der riesige Krokodile dösten, in die braunen Fluten geworfen.
    Zwei Jahre war Rechmire mit den
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