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Mord im Nord

Mord im Nord

Titel: Mord im Nord
Autoren: A Giger
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kleine Haus übernehmen, doch einfach an einen Fremden verkaufen wollten sie auch nicht, dafür hingen sie zu sehr daran. Deshalb beschlossen sie, es zunächst zu behalten, es aber wenn möglich zu vermieten, damit es nicht ganz ungenutzt in der Gegend herumstünde.
    Gewundert hatte es mich nicht, dass sich niemand um das kleine Haus riss, denn es liegt wirklich am Arsch der Welt. Die kleine, immerhin asphaltierte Zugangsstrasse hat ziemlich ruppige Steigungen und liegt vor allem so im Schatten, dass sie im Winter oft vereist bleibt. Erst nach rund zwei Kilometern stösst sie auf die Hauptstrasse zwischen Wald und Trogen, und erst dort ist auch die nächste Bushaltestelle, ausgerechnet jene namens «Bleiche», die unserem ersten Fall den Namen gegeben hat.
    An dieser Stelle meiner Erzählung hob Adelina deutlich sichtbar die Brauen, was ich als Aufforderung interpretierte, endlich zur Sache zur kommen.
    Vorher aber musste ich doch noch ergänzend erklären, warum die Lage des Häuschens von Hans so unattraktiv ist: Man hat nämlich fast keine Aussicht. Die Hinterfront liegt direkt am Waldrand, und auf zwei weiteren Seiten versperrt der Wald jede Aussicht. In der einzig offenen Richtung sieht man nur den Abhang des Hügels, der sich am Standort des Häuschens passenderweise genügend abflacht, um darauf bauen zu können.
    Die schmale Zugangsstrasse führt danach nur noch wenige Meter weiter und endet mitten im Wald. Danach kommt noch einmal eine Lichtung mit einem Ferienhaus darauf, dann folgt nur noch ein Fussweg. Keine Spur also von Durchgangsverkehr.
    Doch genau das, was andere davon abgehalten hätte, sich dort einzunisten, war es, was das Häuschen für Hans attraktiv machte. Er befände sich, so hatte er mir gestanden, seit geraumer Zeit irgendwo im Niemandsland zwischen Lebensmelancholie und Depression und brauche deshalb einen Platz weit weg, an dem er sich verkriechen und sich seinen Selbstheilungskräften überlassen könne, eine Rückzugshöhle also. Und die hatte er gefunden. Hans sass, ganz im Gegensatz zu mir, in seinen besseren Phasen gerne in den örtlichen Wirtshäusern herum und hatte so von den Vermietungsplänen der Zürcher Hausbesitzer gehört. Man war sich schnell einig geworden, nicht zuletzt wegen des nicht gerade stürmischen Andrangs auf das Mietobjekt. So war Hans vor einigen Wochen eingezogen und fühlte sich, wie ich von ihm selbst und gemeinsamen Bekannten gehört hatte, dort so wohl, wie es seine Seelenlage eben erlaubte. Und ich würde bald zum ersten Mal sehen, wie er sich in seiner Höhle eingerichtet hatte.
    Einen Klingelknopf gab es nicht. Also klopfte ich an die Haustür. Keine Reaktion. Ich klopfte erneut, diesmal deutlich energischer. Wieder nichts. Nur eine Stille, die langsam einen beängstigenden Unterton annahm. Als auch beim dritten Klopfen keine Reaktion erfolgte, drückte ich die Türklinke. Die Tür war unverschlossen. Ich betrat das kleine Haus.
    Natürlich stiess ich mir auch hier erst mal den Kopf an einem Querbalken an. Diese niedrig gebauten Appenzeller Häuser sind einfach nichts für meine Körperlänge. Für Hans, dachte ich noch, müsste es erträglicher sein. Er ist fast zwanzig Zentimeter kürzer als ich und hat so in diesen niedrigen Räumen genau das Höhlenfeeling, das er sucht.
    Doch von diesem Hans war nichts zu sehen. Die Küche, die ich als Erstes berat, war sauber aufgeräumt, und dasselbe galt für die übrigen Räume. Ich war froh zu sehen, dass Hans offenbar gut für sich sorgte und sich nicht vernachlässigte. Meine Beunruhigung jedoch, weil sich nirgendwo eine Spur von ihm fand, wuchs, zumal ich auf seinem Schreibtisch den aufgeklappten Laptop fand. Darauf lief nach meinem ersten Tastendruck ein ziemlich psychedelischer Bildschirmschoner in bunten Farben, was gut zu Hans passte. Ich tippte ein zweites Mal auf die Leertaste. Der Bildschirmschoner verschwand, sichtbar wurde stattdessen der digitale Terminkalender von Hans. Dort gab es in der aktuellen Woche einen einzigen Eintrag: Dienstag, circa vierzehn Uhr, Franz Eugster, Buchprojekt.
    Nun, ich war da, Dienstag war heute auch, und ein Blick auf die Uhr meines iPhones, die ich als einzigen Zeitmesser benutze, zeigte vierzehn Uhr vier. Einen Moment lang hatte ich schon befürchtet, in meinem Kopf sei wegen dieses Termins etwas durcheinandergeraten, gleichsam als Vorbote unliebsamer Alterserscheinungen. Jetzt war ich beruhigt, der Termin stimmte.
    Und auch das Buchprojekt, das Hans als Grund unseres
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