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Mord im Nord

Mord im Nord

Titel: Mord im Nord
Autoren: A Giger
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Detail.
    Meine Wenigkeit dagegen hatte in den Jahren ihrer lokaljournalistischen Laufbahn, die eines Tages jäh abbrach, gelernt, gute Storys über die Gegenwart zu entdecken und zu schreiben und gelegentlich auch einen Blick voraus auf mögliche zukünftige Entwicklungen zu werfen. Irgendwie hatte ich eine Ahnung, dass Appenzeller Räusche ein Thema mit Zukunft werden könnte. Da sich auch darüber mit Hans angeregt plaudern liess, hatte ich mich richtig darauf gefreut, jetzt mit ihm das Konzept weiterzuentwickeln.
    Doch da war kein Hans. Ich warf einen Blick in jeden Raum. Im Schlafzimmer füllte ein breites Doppelbett fast den ganzen Raum. Hans hatte also nicht vor, lauter einsame Nächte zu verbringen, doch ich hatte keine Ahnung von seinem aktuellen Liebesleben und konnte deshalb nur spekulieren, ob das Bett momentanen oder erst künftigen Bedürfnissen nach Zweisamkeit diente.
    Auch im kleinen abgeschrägten Zimmer direkt unter dem Dachfirst fand sich nichts ausser vielen Büchern und Archivschachteln. Offenbar benutzte Hans dieses Zimmer, das selbst ihm zu niedrig sein musste, als Archivraum. Im Wohnzimmer, das zugleich Büro war, fand ich keinen Hinweis, ebenso wenig wie in den Kellerräumen, in denen ich nur eine offenbar noch von den Vorbewohnern angelegte Werkzeugsammlung fand. Schliesslich ging ich noch einmal in die Küche und entdeckte dort im Spülbecken zwei offensichtlich benutzte Gläser.
    Das hiess nicht unbedingt, dass Hans an diesem Vormittag Besuch gehabt hatte. Als er damals bei mir oben war, hatte er mich nämlich gebeten, den zweiten Saft in einem frischen Glas zu servieren, er hätte da so einen kleinen Spleen, nie zweimal aus demselben Gefäss zu trinken. Ich pflege selbst so viele Schrullen, dass ich von meinen Mitmenschen eine tolerante Haltung erhoffen muss, und bin den Spleens anderer Leute gegenüber deshalb nachsichtig. So habe ich mich auch darüber nicht weiter gewundert.
    Ich nahm eines der Gläser in die Hand und schnüffelte daran. Ausser dem nicht gerade attraktiven Geruch von abgestandenem Grapefruitsaft stieg nichts in meine Nase. Da es im Haus offenbar nichts weiter zu entdecken gab, beschloss ich, auch mal draussen nachzusehen.
    Im später als das Haus erbauten Schuppen aus Holz stand das Auto von Hans. Es handelte sich um eine ziemliche Rostlaube. Hans fuhr auch nicht gerne, kam aber jetzt bei seinem abgelegenen Wohnort nicht darum herum, ab und zu seinen kleinen Renault zu benutzen, der sich fast immer als klaglos funktionierendes Vehikel erwies, wie er mir mal erzählt hatte. Jetzt jedenfalls war der Wagen da, woraus ich messerscharf schloss, dass Hans nicht damit weggefahren sein konnte.
    Mittlerweile hatte sich offenbar die Nebeldecke leicht gesenkt, was bedeutete, dass ich mitten in der besonders dichten Schicht steckte. Der Bretterzaun, der das ganze Grundstück mit Haus, Garage und winzigem Garten umschloss, war auf wenige Meter Distanz nur undeutlich zu sehen, wenngleich ich wahrnehmen konnte, dass er vor Nässe troff.
    Innerhalb des Zauns fand ich nichts Auffälliges. So trat ich vom Platz zwischen Haus und Autoschuppen hinaus auf die kleine Zufahrtsstrasse und ging den Zaun entlang nach Westen. Nach wenigen Metern bog dieser rechts ab in eine kleine Wiese und führte zum unweit gelegenen Waldrand. Ich trat etwas zögerlich auf das Gras, immer noch dem Zaun von aussen folgend. Direkt an den Brettern wuchs eine etwa drei Meter hohe Fichte. Auch dahinter fand ich nichts ausser einer immer noch erstaunlich grünen Wiese.
    Für einen Moment wurde der Nebel etwas dünner, sodass ich etwa ein Dutzend Meter weit sehen konnte, gerade genug, um die zum Haus gehörende Satellitenschüssel zu entdecken, die direkt am Waldrand ungefähr einen halben Meter über Boden an einem breiten Sockel angebracht war. Einem plötzlichen Impuls folgend, schritt ich dorthin. Direkt hinter der Schüssel, also mit Beginn des Waldes, begann der Hang abzufallen, runter zur Schlucht des Sägibachs. Und dort, hinter der Satellitenschüssel und deswegen nicht einsehbar, lag er. Hans Bärlocher.
    Er lag ausgestreckt da, ganz friedlich eigentlich, und ohne sichtbare Verletzungen. Einen Moment lang hoffte ich, er hätte einfach etwas zu viel getrunken und schliefe dort im Gras jetzt seinen Rausch aus. Doch bald wurde mir klar, dass es sich hier um den ewigen Schlaf handelte. Als ich seinen Puls messen wollte, fühlte sich sein Handgelenk eiskalt an.

Unter Verdacht
    An dieser Stelle meiner Erzählung
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