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Mord Im Kloster

Mord Im Kloster

Titel: Mord Im Kloster
Autoren: Philipp Espen
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verweilten seine Gedanken dort und holten sich reichlich Nahrung, während die Gegenwart des kleinen, schmucklosen Zimmers mit dem roten Kreuz des Tempelordens über dem Türsturz keinen Anlass zur Freude bot.
    Er las laut: »… Deshalb muss ich Euch warnen, Henri de Roslin. Gegen Euch und Eure Brüder ist etwas Unheiliges im Gange. Ich kann es noch nicht beweisen, aber es ist da. Ich versichere Euch, was dort im Geheimen entsteht, das ist ungeheuerlich – und es bedroht Euch alle. Kommt nach St.
    Albans, ich werde Euch in alle Einzelheiten einweihen, von denen ich zur Stunde Kenntnis habe. Wählt selbst die Stunde. Ich werde Euch immer empfangen.«
    Der Briefleser faltete das Pergament zusammen und drückte das Siegel vorsichtig wieder auf die Falzkanten. Jetzt sah der Brief ungelesen aus.
    »Du Hund!«, murmelte er, »eigenmächtiger Verräter! Das ist dein Todesurteil!«
    Es war nichts Friedfertiges an dem geistlichen Mann, der so sprach, nichts Versöhnliches glättete seine Züge, seine ganze Erscheinung drückte in der Welt des Sichtbaren aus, was er dachte. Er schien der personifizierte Hass zu sein. Und Hass verbrannte noch einmal im Selbstgespräch seine Stimme.
    »Deine Botschaften werden nicht ankommen, Abt Thomas. Wir werden vor dir da sein, wenn du den Schlaf des Selbstgerechten schläfst. Ist nicht die Passionszeit wunderbar geeignet für das Leiden? Unser Herr hat dort gelitten, um wie viel mehr hast du es verdient. Du wirst sterben!«
    Er blies die Lichter aus, der Kerzenrauch umwölkte einen Moment lang sein hageres Haupt wie Schwefeldampf. Er tuschte die Farbe seiner Lippen und das Weiß der Wangen nach, rückte seine Kleider zurecht. Der Präzeptor wartete mit dem Abendessen auf ihn. Die Vorfreude darauf fuhr wie Lüsternheit in seinen Körper. Dann verließ er lautlos den Raum.
     
     
    Neville erkannte ihn sofort. Es war der Bischof von London, zuständig für die Glaubenskongregation. Er sah den Magister mit einem so finsteren Blick an, dass Neville schauderte. Der Magister konnte es nicht glauben. Was machte der hohe geistliche Herr hier im Tempel? Henri wusste, dass König Edward I. gerade die Kirche aus dem Rechtswesen verbannt hatte und dass Bischof Savior seitdem wie besessen nach neuem Einfluss suchte. Wusste der Präzeptor von seiner Anwesenheit?
    »Stell keine Fragen!«
    »Nein, Eminenz, aber…«
    »Es geht um diesen Brief des Abtes von St. Albans. Wo ist er?«
    Neville wollte fragen, woher der Bischof davon wisse. Aber er sagte: »Er ist verschwunden, ich konnte ihn nicht übergeben.«
    »Für wen war der Brief?«
    »Für Henri de Roslin.«
    »Schau an. Für den verehrungswürdigen Bruder Henri.«
    Jetzt konnte sich Neville doch nicht zurückhalten. »Woher wisst Ihr von diesem Brief, Eminenz?«
    »Das ist gleichgültig. Aber Ihr seid jetzt ein Geheimnisträger. Ihr allein kennt den Brief.«
    »Der Präzeptor weiß ebenfalls von diesem Brief.«
    »Natürlich, natürlich.«
    Neville schüttelte den Kopf. »Was wird mit dem Brief? Bruder Robin ist damit verschwunden. Ich weiß nicht, wohin…«
    »Um den Brief kümmern sich andere. Du bist der Verantwortung dafür enthoben.«
    »Aber Eminenz…«
    »Keine Einwände! Ich sorge dafür, dass der Brief wieder auftaucht und ordnungsgemäß an Henri de Roslin weitergegeben wird. Es sind Umstände eingetreten, die besondere Maßnahmen erfordern, darum bemüht Euch nicht mehr. Und kein Wort zu Bruder Henri! Ist noch was?«
    »Mein Diener, Giacomo. Er ist auch verschwunden, ich weiß nicht…«
    »Wir werden ihn suchen. Er wird wieder auftauchen, glaubt mir. Und nun kümmert Euch um Eure Aufgaben im Tempel, mein Sohn! Es werden Verletzte aus Wales eingeliefert, die der ärztlichen Betreuung bedürfen, nachdem sie die geistliche bereits erhalten haben. Sie haben ausdrücklich meine Betreuung erbeten, und sie haben sie erhalten. Und jetzt erwartet mich der Präzeptor.«
    Dem jungen Magister schwirrte der Kopf. Seine schlaksige Gestalt straffte sich. Er verbeugte sich und ging hinaus.
    Seltsam, dachte er draußen. Was geschieht hier bloß?
     
     
    Henri de Roslin war für heute endlich entlassen. Er hatte bis zuletzt ausgiebig das Kreditwesen des Tempels studiert. Die vielen Konten mussten geführt werden. Im Moment gingen Schenkungen von überall ein, die ordnungsgemäß verwaltet werden mussten. Die meisten Stifter beanspruchten einen geringen Gegenwert, um spätere Ansprüche von Erben abzuwehren. Gerade heute hatte ein Landlord eine ganze
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