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Mord auf Widerruf

Mord auf Widerruf

Titel: Mord auf Widerruf
Autoren: Reginald Hill
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Aussicht – ein kleiner Hinterhof, den noch nicht einmal das Mondlicht verschönern konnte und der von einer Ziegelmauer eingefaßt war, die ebenso verputzt gehört hätte, wie das Holztor einen Anstrich nötig hatte. Das Tor führte in die Gasse, die zwischen Dalziels Straße und den Hintereingängen einer Straße mit gleichen Häusern verlief, deren zahlreiche Kamine den stählernen Nachthimmel mit Zinnen und Türmchen bewehrten.
    Nur daß sich ihm heute nacht ein anderer Anblick bot. Im Haus unmittelbar hinter dem seinen ging im Schlafzimmer das Licht an. Wenige Minuten später flogen die Vorhänge zur Seite, und eine nackte Frau stand in dem goldenen Lichtquadrat. Dalziel sah mit Interesse zu. Falls das eine Halluzination war, waren die Franzosen doch nicht zu verachten. Da stieß die Frau, als wolle sie ihre Realität unter Beweis stellen, das Fenster auf, lehnte sich hinaus und atmete tief die Winterluft ein, so daß ihre kleinen, aber keineswegs zu verachtenden Brüste unterhaltsam auf und ab wippten.
    Da sie so höflich gewesen war, eine der gläsernen Barrieren zu entfernen, wollte es Dalziel scheinen, als könne er mit der zweiten kaum anders verfahren.
    Rasch schritt er zur Hintertür, öffnete sie leise und trat in die Nacht hinaus. Doch er hatte sich vergeblich beeilt. Die Bewegung hatte den Bann gebrochen, das schöne Bild war entflohen.
    »Geschieht mir recht«, knurrte Dalziel. »Verdammt. Sich wie ein grüner Junge aufzuführen, der noch nie ’ne Titte gesehen hat.«
    Er drehte sich um, weil er wieder ins Haus wollte, als er aus irgendeinem Grund erneut herumfuhr. Plötzlich war auf dem goldenen Bildschirm statt eines Softpornos ein Action-Film zu sehen … ein Mann in Bewegung … etwas in seiner Hand … noch ein Mann … ein Geräusch, so laut wie ein Husten, der während eines Pianissimos zu lange unterdrückt worden war … und ohne nachzudenken schoß Dalziel los und pflasterte seinen Weg mit immer heftigeren und deftigeren Flüchen, während er sich krachend den Weg durch mehrere Haufen Haushaltstrümmer bahnte.
    Sein Hinterausgang war nicht abgeschlossen. Für das gegenüberliegende Tor traf das zwar nicht zu, aber er ging hindurch, als wäre es offen. Inzwischen war er zu dicht am Haus, um in das Zimmer im ersten Stock blicken zu können. Als er auf die Küchentür zuschoß, kam ihm der Gedanke, daß er auf einen Schützen prallen könnte, der mindestens so eilig flüchtete, wie er, Dalziel, versuchte, in das Haus einzudringen. Andererseits konnten sich im Haus auch noch Unversehrte befinden, die sein Aufkreuzen in diesem Zustand erhalten würde. Die ganze innere Debatte war natürlich müßig, als würde sich eine Brandbombe im Anflug auf Dresden Gedanken über die Ethik strategischer Kriegsführung machen.
    Die Küchentür öffnete sich wie von selbst. Er ging davon aus, daß die Raumaufteilung der in seinem Haus entsprach. Dem war tatsächlich so, was ihm ersparte, beim Sprint durch die Diele und die Treppe hinauf Wände einzureißen. Noch immer kein Lebenszeichen, kein Lärm, keine Bewegung. Die Tür des Zimmers, das er ansteuerte, war angelehnt, Licht fiel auf den Treppenabsatz. Nun verlangsamte er endlich seinen Schritt. Wenn es im Zimmer nach Gewalttätigkeit geklungen hätte, wäre er gewaltsam eingedrungen, aber er wollte niemanden provozieren.
    Er klopfte leise an die Tür, dann stieß er sie weit auf.
    Im Zimmer waren drei Leute. Einer, ein großer Mann zwischen dreißig und vierzig, der einen dunkelblauen Blazer mit einem Brokatwappen auf der Brusttasche trug, stand am Fenster. In der Rechten hielt er einen rauchenden Revolver, der in die Richtung eines jüngeren Mannes in einem schwarzen Pullover wies. Er kauerte vor der Wand und hielt sein bleiches, erschrecktes Gesicht zwischen die Hände gepreßt. Ebenfalls anwesend war eine nackte Frau, die schräg auf einem Bett lag. Den beiden letzteren schenkte Dalziel wenig Aufmerksamkeit. Der junge Mann sah ganz danach aus, als könne er seine Beine nicht mehr gebrauchen, und die junge Frau konnte eindeutig gar nichts mehr gebrauchen. Er konzentrierte sich auf den Mann mit der Kanone.
    »Guten Abend, Sir«, sagte Dalziel leutselig. »Ich bin von der Polizei. Gibt es hier irgendwo ein Plätzchen für ein Schwätzchen?«
    Beim Sprechen kam er langsam näher, und sein strahlendes Gesicht täuschte eine Wärme vor, die wie eine heiße Kartoffel im Schoß im ersten Augenblick sinnliche Freuden vorgaukelte.
    Doch bevor er sein
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