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Mord auf Frauenchiemsee - Oberbayern Krimi

Mord auf Frauenchiemsee - Oberbayern Krimi

Titel: Mord auf Frauenchiemsee - Oberbayern Krimi
Autoren: emons Verlag
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gespürt, dass sie anders war und etwas anderes wollte.
    Susanne, die andere Novizin, hütete ihr eigenes Geheimnis: Sie war nicht anders, und es war nicht ihr sehnlichster Wunsch, die Gelübde abzulegen. Aber ihre Eltern hatten beschlossen, es sei das Beste. Susanne war keine Jungfrau mehr, sie hatte einen Schwangerschaftsabbruch hinter sich, und ihre Eltern sorgten sich, es könnte noch mal passieren. Sie hatten der Priorin nichts davon erzählt, weil sie sonst nicht zugestimmt hätte. Aber man konnte niemanden zwingen.
    Leonie und Susanne bewohnten zusammen ein Zimmer. Es war nicht so minimalistisch wie die Klosterzellen der Schwestern, und jede hatte ein kleines Stückchen Vergangenheit mitgebracht. Leonie ihren alten Bären Eberhard, mit dem Rucksack auf dem Rücken, dem sie schon als Kind all ihre Neuigkeiten und die Kummerzettel anvertraut hatte. Und Susanne eine getrocknete Rose, eine Liebesgabe, die sie wie einen Schatz hütete.
    Susanne hatte gefragt, ob sie Eberhard auch etwas in den Rucksack packen dürfe, etwas, was man bei Leonie nicht vermuten würde. Und seither wachte der alte Bär über ihrer beider Geheimnisse.
    Das Postulat, die einjährige Erprobungszeit, diente dem Kennenlernen des benediktinischen Alltags. Nach dem Jahr konnte sich die Novizin für die Einkleidung entscheiden und damit auch äußerlich ihre Bereitschaft ausdrücken. Leonie sah sich längst schon in einem Ordenskleid, sie brauchte keine Bedenkzeit.
    Susanne auch nicht. Sie interessierte sich nicht für den benediktinischen Weg und schlug einen anderen ein. Einige Male schon hatte sie heimlich das Kloster verlassen, um sich mit jemandem zu treffen, und Leonie hatte ihr dabei geholfen. Susanne war unglücklich, sie war nicht für ein Leben im Kloster bestimmt. »Erneut schwanger werden möchte ich nicht, jedenfalls nicht jetzt, aber vielleicht will ich eines Tages eine Familie. Bitte verrat mich nicht.«
    Und Leonie versprach es ihr.
    Sie hatten einander einiges erzählt, einiges gestanden, aber von ihrer Mission durfte Susanne nichts wissen.
    »Wie eine Gefangene auf Freigang habe ich mich gefühlt«, hatte Susanne lachend gesagt und Leonie erzählt, ihr sei jemand aufgefallen, als sie das letzte Mal draußen war.
    Die Beschreibung passte auf Andreas Bacher. Besser tot, hatte er gesagt, und ausgerechnet daran hatte Leonie denken müssen.
    Auf einer Insel konnte man sich nicht gut verstecken, und die Fraueninsel war noch dazu klein. Jemand, der nicht hierhergehörte, fiel auf. Im Sommer verhielt es sich anders, aber nicht im Winter, wenn der Fährbetrieb eingestellt war.
    Andreas rief sie hin und wieder an und gab vor, ihr Onkel zu sein. »Ich musste einfach deine Stimme hören«, sagte er dann. Doch Leonie konnte sich nicht vorstellen, dass er mitten im Winter herüberkam. Susannes Verehrer lebte selbst auf Frauenchiemsee, ihn durfte man bemerken. Aber sie hatte Leonie bislang nicht verraten, wer es war.
    Nach dem Blitzeinschlag waren sie beide hinuntergegangen, um zu sehen, ob sie helfen konnten. Sie hatten ohnehin noch nicht geschlafen. Bei einem solchen Unwetter zündete man lieber eine Kerze an und zog sich die Decke bis zum Kinn hoch.
    Es würde ihr für den Rest ihres Lebens leidtun, dass sie unbedingt gemeint hatte, sie müsste hinuntergehen. Sie wäre besser im Bett geblieben.
    Leonie hatte noch nie zuvor einen toten Menschen gesehen. Es war schlimm. Und zugleich schossen ihr tausend Fragen durch den Kopf. Sie hatte nach Susannes Hand gegriffen, die ungläubig geflüstert hatte: »Wer hat so etwas Grausames getan? Ich hab mal so einen Horrorfilm gesehen. Und da war eine der Schwestern die Mörderin. Sie hat sich Jungfrauen ausgesucht, die waren nämlich unbefleckt. – Also käme ich schon nicht in Frage.«
    Aber ich, dachte Leonie. »Lass uns gehen, es ist kalt.«
    Leonie hatte es knacken hören, als die Priorin die Frau im Baum angefasst hatte. Ihr war schlecht geworden, mit Mühe und Not konnte sie den Brechreiz unterdrücken.
    »Ja. Kalt und gruselig.« Susanne zitterte.
    Schwester Jadwiga hatte ihnen übers Haar gestrichen und gesagt, es würde alles gut werden, und das wurde es bestimmt irgendwann, doch im Augenblick überhaupt nicht. Dort im Baum war eine Leiche.
    Sie beeilten sich, aufs Zimmer zu kommen, aber an Schlaf war erst einmal nicht zu denken. Leonie versuchte es gar nicht und rückte sich einen Stuhl ans Fenster. Sie würde einfach noch ein wenig verfolgen, was weiter passierte.
    Susanne steckte sich die
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