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Mord auf Frauenchiemsee - Oberbayern Krimi

Mord auf Frauenchiemsee - Oberbayern Krimi

Titel: Mord auf Frauenchiemsee - Oberbayern Krimi
Autoren: emons Verlag
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brauchten die Leute ein Quartier.
    Schwester Jadwiga hatte vorsichtshalber noch der Feuerwehr Bescheid gegeben, bekam aber gesagt, es sei unwahrscheinlich, dass sich da noch einmal etwas entzünden würde. Wenn das Kloster ängstlich wäre, könnten die Schwestern eine Baumwache aufstellen.
    »Eine Baumwache«, meinte die Priorin beleidigt. »Ich bin mir sicher, der Kerl hat mich ausgelacht.«
    »Eine Baumwache hatten wir die ganze Zeit«, hatte Althea erwidert.
    »Schwester Althea, bitte keine Späße, die mir den Schlaf rauben.«
    Es war kein Spaß. Es ging um Mord, und das war noch nicht alles. Althea wollte versuchen herauszufinden, in welchem Jahrhundert der Blitz schon einmal in die Eiche gefahren war. Nur dadurch war es wohl möglich gewesen, einen Körper dort hineinzuschieben. Ein Baum ging schließlich nicht schwanger mit einem Menschen.
    Sie nahm die Pinzette aus ihrem Maniküreetui.
    »Du findest doch auch, dass wir nachschauen sollten, oder?«, sagte Althea und nickte dem kleinen Christus zu. Kurz darauf rutschte sie, bewaffnet mit Pinzette und Taschenlampe, in ihren Turnschuhen durch den Schnee in Richtung Büßerzelle.
    Es kam ihr im Freien genauso kalt vor wie im Innern des Münsters. Dem heiligen Benedikt schien auch nicht sonderlich warm zu sein, seine Mundwinkel zogen sich nach unten.
    Agathe, wie sie die Frau genannt hatte, lag auf der Trage, um sie herum nur kalter Stein. Althea leuchtete mit der Lampe und sah es beinahe sofort: Der Mund der Mumie war leer; was auch immer sich darin befunden hatte, es war nicht mehr da. Unentschlossen stand sie in der Kälte. Schwester Jadwiga hatte als Letzte die Kammer verlassen. Hatte sie das kleine Pergament mitgenommen?
    Althea drehte die Statue auf ihrem Sockel, leuchtete den Weg wieder zurück, schaute noch einmal nach dem Baum und ging dann zu Zeta auf die Krankenstation.
    Normalerweise war die alte Schwester wach, und falls ihr noch niemand erzählt hatte, was passiert war, würde Althea das jetzt tun. Vielleicht etwas abgespeckt, dachte sie.
    Zeta hatte zur Leuchte über ihrem Bett auch noch das Deckenlicht eingeschaltet. Über ihrem Nachthemd trug sie einen Pulli. Sie hatte einen Block auf den Knien und hielt einen Stift in der Hand. »Dein Besuch ist immer eine Freude, Schwester Althea«, sagte Zeta etwas atemlos. Ihre warmen honigbraunen Augen blickten Althea klar und hellwach an, aber ihr Mund lächelte nicht.
    Althea hatte wieder die Mumie vor Augen. Dieser Mund schrie.
    »Du weißt es schon?«, fragte sie die Ältere. Es. Sie war sonst nicht diejenige, die vermied, etwas auszusprechen. Aber alte Leute regten sich schnell auf, und das wollte Althea auf keinen Fall.
    »Warum Jadwiga meinte, es ausgerechnet mir erzählen zu müssen, weiß ich nicht«, erwiderte Zeta. »Der Himmel mag eben keine Geheimnisse. Althea, versprichst du mir etwas? Ich bitte dich darum, weil du nicht zu den Ängstlichen zählst.«
    »Und gerade dachte ich noch, es wäre gut, dich damit zu verschonen.«
    Althea schaute auf Zetas kleine nackte Füße. Sie spürte förmlich die Kälte, die von ihnen ausging, konnte nicht länger hinschauen. Sie setzte sich auf Zetas Bett und zog sich die Turnschuhe aus, danach die nassen Socken. Dann ging sie zum Schrank hinüber und griff hinein, um für jede von ihnen frische Socken zu holen. Sie lebten beide nicht auf großem Fuß.
    »Ich kann mit Eisfüßen nicht denken«, lautete ihr Kommentar.
    »Du sollst ja auch nicht mit den Füßen denken«, lautete die Erwiderung.
    »Natürlich verspreche ich dir, was ich kann, aber ich habe Sorge, dem Versprechen vielleicht nicht zu genügen.« Althea fragte Zeta, ob sie einen Tee machen solle, aber die ältere Schwester meinte, dafür sei jetzt keine Zeit.
    »Solange mein Geist beweglich ist, möchte ich die Gunst der Stunde nutzen. Setz dich zu mir«, und Althea zog ihren Mantel aus und schob Zetas Decke über ihre Beine.
    »Ich habe immer Tagebuch geschrieben, schon bevor ich Äbtissin war«, fuhr Zeta fort. »Es ist mir zu einer lieben Gewohnheit geworden. Und schon bald werde ich meine letzte Zeile schreiben.« Althea wartete.
    »Ich möchte, dass du das Tagebuch liest, wenn ich nicht mehr bin. Es wird dir vieles verraten, und wenn deine Zeit gekommen ist, wirst du wie ich eine Entscheidung treffen müssen. Aber das wird wohl – so Gott will – noch lange auf sich warten lassen.«
    »Gerade erinnerst du mich an die alte Kath«, sagte Althea. Katharina Venzl aus Gollenshausen, die Dinge sah,
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