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Mord auf Frauenchiemsee - Oberbayern Krimi

Mord auf Frauenchiemsee - Oberbayern Krimi

Titel: Mord auf Frauenchiemsee - Oberbayern Krimi
Autoren: emons Verlag
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hatte der Winter die Insel Frauenchiemsee fest im Griff, und auch die Nonne im Klostergarten, die Skulptur eines Künstlers und ein Geschenk für Althea, hatte ein weißes Kleid bekommen, wo sie sonst eher leicht bekleidet war. Althea beneidete sie nicht um diesen kalten Mantel, ihr eigener war wollig warm. Sie hatte es nur versäumt, sich gefütterte Stiefel zu kaufen. Wenn sie Eisfüße bekäme, wäre sie selbst schuld. Ihre Gedanken hatten sich zu oft um den Tod gedreht, aber es hatte auch Erfreulicheres gegeben. Sie hatte ihren Neffen Stefan wiedergesehen, weil der Kriminalkommissar in einem Fall am Chiemsee ermitteln musste, und mit Maximilian, einem mutigen Jungen, ein dunkles Geheimnis geteilt und seinen zehnten Geburtstag gefeiert.
    Sie fuhr zusammen, als abermals ein Blitz krachte. Die dunklen Geheimnisgedanken sollte sie wohl besser lassen.
    Nur hatte der Blitz dieses Mal tatsächlich eingeschlagen. Etwas prasselte, und wenn sie das bei geschlossenem Fenster hörte, dann konnte es nicht weit entfernt sein. Althea schob ihr Notizbuch zur Seite, schwang sich aus dem Bett und zog die Vorhänge zur Seite. Sie hatte ein »Oh mein Gott« auf den Lippen und kramte im Schrank nach einem Pullover, einer Hose, Schuhen und ihrem Mantel. Ihr Ordensgewand wäre keine gute Wahl, womöglich müssten sie löschen, und das konnte bedeuten, kübelweise Wasser zu schleppen.
    Die alte Eiche war ein Veteran, es hieß, sie sei beinahe siebenhundert Jahre alt. Althea war sicher, der Baum würde kämpfen. Er hatte Unruhen und Kriege überlebt und schon ganz andere Unwetter.
    Dieser Sturmwind riss an allem, als Althea durch das Portal ins Freie lief. Grober Graupel klatschte ihr ins Gesicht. Sie schlug den Kragen ihres Mantels hoch und hastete entlang der Seitenmauer, die zum Friedhof führte.
    Sie sank ein, und frisch gefallener Schnee drang in ihre Schuhe. »Mistwetter«, schimpfte sie und schüttelte ihre Füße, um den nassen Matsch loszuwerden. Es half nicht.
    Dann wurde ihr bewusst, dass das Prasseln aufgehört hatte.
    Der Herrgott sieht nicht alles, das sagte sie oft genug, aber die Wahrheit war, dass jemand sich erbarmt hatte. Es gab kein Feuer mehr, nur noch aufsteigende Rauchfahnen, die der Wind mit sich forttrug.
    Keine der Schwestern, die genauso ungläubig wie Althea vor der Klostereiche standen, hatte einen Kübel in der Hand, dafür aber Taschenlampen, um den Schaden anzuschauen. Es wurde durcheinandergeredet, gestikuliert, Kreuzzeichen geschlagen, und jemand fragte, ob man die Feuerwehr verständigt habe.
    Womöglich war es nötig, denn das Feuer konnte sich vielleicht wieder entzünden. Doch die Freiwillige Feuerwehr musste von Prien aus erst zur Insel übersetzen, das konnte dauern, denn der See fror bereits zu. Noch bevor die Männer vom Festland kamen, würde sich hier die ganze Insel eingefunden haben.
    Die Mitschwestern waren bereits alle versammelt, auch die zwei Novizinnen, Leonie Haberl und Susanne Dahm. Verschreckt standen die beiden beisammen und hielten einander an den Händen.
    »Wir haben womöglich eine Notsituation«, sagte Schwester Jadwiga, und Althea überlegte, was sie damit wohl meinte. Sie sah keine Not, sondern nur ein paar leicht bekleidete Schwestern in Nachthemden mit Überwürfen. Es war bitterkalt, ihre eigenen Wangen waren vom Eisgraupel längst rot und prickelten. Wie sollte es den Mitschwestern da anders gehen? Althea tippelte in ihren Turnschuhen von einem Fuß auf den anderen. Das hast du jetzt davon, schalt sie sich.
    Aber sie mussten dem Sturm und dem Schnee dankbar sein, denn beide hatten ihnen geholfen und die Löscharbeit erledigt. Gott sei Dank!
    Doch das würde Althea kein zweites Mal sagen, denn ein gellender Schrei zerriss die Nacht.
    * * *
    Einen Tag später würde Althea Jadwigas »Wir haben womöglich eine Notsituation« wieder einfallen, und sie würde darüber nachdenken, ob die Priorin schon vorher etwas über den Leichnam gewusst hatte. Aber jetzt gerade war sie, genau wie die anderen, nur von maßlosem Grauen erfüllt.
    Die Klostereiche hatte ihr Geheimnis preisgegeben, von dem wahrscheinlich bloß die alte Kath eine vage Ahnung gehabt hatte. Althea erinnerte sich an eine seltsame Bemerkung, die Katharina Venzl im Sommer gemacht hatte. Und auch, dass sie gesagt hatte, es sei noch nicht an der Zeit. Wofür nicht an der Zeit? Was um Himmels willen hatte sie damals gesehen?
    Die alte Kath hatte das Zweite Gesicht, sie sah und spürte Dinge, die für andere nicht
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