Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mord auf Frauenchiemsee - Oberbayern Krimi

Mord auf Frauenchiemsee - Oberbayern Krimi

Titel: Mord auf Frauenchiemsee - Oberbayern Krimi
Autoren: emons Verlag
Vom Netzwerk:
fassbar waren. Hätte der Blitz nicht eingeschlagen, der Baum hätte sein dunkles Mysterium vielleicht niemals offenbart.
    Neben ihr weinte jemand, sagte: »Wie ist das möglich?« Es war nicht mehr als ein Flüstern, das der Wind im gleichen Moment von den Lippen der Mitschwester riss.
    Althea fühlte nur Eiseskälte, und daran hatte der Winter den geringsten Anteil. Ein Mensch steckte in dem aufgerissenen Baum, dessen schwarze Ränder eine offene Kruste waren. Die Blitzrinne hatte eine Holzlasche aus dem Stamm herausgelöst und die Rinde ausgespuckt. Dagegen wirkte die Mumie in ihrem Leinenhemdchen beinahe unberührt.
    Althea sah der Frau ins Gesicht, das aussah, als wäre es von einer Wachsschicht überzogen. Es war alles noch vorhanden, auch ihr Haar, das unter dem Überzug schimmerte. Das Schlimmste aber war der weit aufgerissene Mund. Er sah aus, als würde sie lachen … oder schreien.
    »Sie hat etwas im Mund.« Der Finger einer Schwester bewegte sich auf und ab, als hätte sie vor, sich an diesem gewellten, gelbstichigen Etwas zu vergreifen. Ein Pergament, wie es schien. Sie würgte, und Althea machte vorsorglich einen Schritt zur Seite. Gerade hatte sie wirklich keine Zeit, sich Gedanken über ihr Schuhwerk zu machen.
    Die Lichter der Taschenlampen, oder eigentlich die Schatten, verliehen dem Szenario etwas Gespenstisches.
    »Bevor wirklich jeder mitbekommt, dass sich eine Gruft geöffnet hat, und bevor alle Spuren zerstört sind, sollten wir …« Althea wurde bewusst, dass sie selbst das gerade gesagt hatte. Eine Gruft. Es kam ihr tatsächlich so vor, als wäre jemand lebendig eingesargt worden.
    Oh Althea, wie bildlich. Darüber musste sie noch nachdenken, ein wenig länger und nicht nur zwischen Tür und Angel in der Kälte. Diejenigen, die den Leichnam untersuchten, würden es feststellen. Spuren eines längst vergangenen Geschehens, aber wahrscheinlich trotzdem noch vorhanden.
    Sie suchte Blickkontakt zur Priorin. Jadwiga straffte sich und nickte. »Schwester Althea hat recht, es ist unsere christliche Pflicht, das …«, sie stockte, »menschliche Wesen aus der Eiche zu befreien.«
    Althea hatte weit weniger christlich sofort an Mord gedacht. Das menschliche Wesen war ihrer Ansicht nach weiblich.
    Einige der Schwestern schüttelten angeekelt den Kopf.
    Jadwiga ignorierte diese stillen Bekundungen. »Wir brauchen etwas, um den Körper zu transportieren. Und wenn ich bitten darf, zieht sich erst jede etwas Warmes an! Ein einziger Tod ist mehr als genug.« Sie sagte den beiden Novizinnen, sie dürften sich wieder schlafen legen.
    Schlafen würden sie gewiss nicht, aber beide nickten gehorsam. Eine ließ die Hand der anderen nicht los, als sie zurückgingen. Althea bemerkte, dass Leonie einen langen Blick zurückwarf, dann verschwanden die Mädchen und mit ihnen auch der Gedanke, nach wem Leonie wohl Ausschau gehalten hatte.
    Auf der Insel gab es eine alte Ferno-Rolltrage für Patiententransporte. Nachdem die Priorin die Schwestern zur Ankleide beordert hatte, schickte sie drei von ihnen zum Klosterwirt, er möge doch bitte die Trage auffinden und bereit machen.
    Plötzlich fühlten sich alle anderen Schwestern bemüßigt, etwas zu erledigen, nur um nicht in Reichweite zu sein, wenn der Leichnam aus dem Baum herausgelöst wurde.
    »Wir sollten das dokumentieren«, befand Jadwiga. »Wer weiß, wer die Frau war und wie sie zu Tode kam.«
    Althea musste an Stefan, ihren Neffen, denken, doch eine Mumie fiel nicht in die Zuständigkeit der Mordkommission. Schade, dachte sie kurz. Eine verlässliche Bestimmung der Todesursache würde andernorts stattfinden.
    Es war ein Versteck, wie es kein zweites gab, war ihr nächster Gedanke. Die alte Kath könnte dem Baum vielleicht etwas entlocken – oder der Mumie.
    Schwester Dalmetia war mit ihrem Fotoapparat eingetroffen und brachte sich in Position.
    Es würde nicht einfach werden, etwas zu tun, und dabei nicht gleichzeitig etwas zu zerstören.
    Dalmetia fotografierte jeden ihrer Handgriffe – die Schwester hatte einige Kurse auf dem Festland belegt, es machte ihr Spaß, den Augenblick festzuhalten. Allerdings gerade wohl nicht so sehr, denn Althea sah, wie sie zitterte. Hoffentlich waren die Aufnahmen bei dem Gewackel noch zu verwerten.
    Ja, es war grauenhaft, sogar mehr als das. Dafür gab es eigentlich kein passendes Wort. Sie waren gerade Spurensicherer und Todesermittler, und keine von ihnen hatte das jemals sein wollen.
    Jadwiga griff hinter den Körper der
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher