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Mord au chocolat

Mord au chocolat

Titel: Mord au chocolat
Autoren: Cabot Meg
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versuchen?
     
Heather Wells
     
     
    Okay, ich geb zu, ich war nicht Owens größter Fan. Anfangs hat er in der Fischer Hall nur für Schadensbegrenzung gesorgt. Dazu ist ein Ombudsmann da. Und er wollte gar nicht zu uns kommen. Das Präsidentenbüro katapultierte ihn ins Büro des Fischer-Hall-Leiters, um zu sehen, ob er das Problem »Todeshalle« lösen würde. Darauf konzentrierte er sich nicht, weil er von der Gründung einer Studentengewerkschaft abgelenkt wurde. Trotzdem fand er genug Zeit, um mich wegen des ausgeliehenen Büromaterials zu nerven.
    Okay, ich weiß, es ist mies, über einen Toten herzuziehen. Aber wenigstens behaupte ich nicht so wie Sarah, er hätte den mörderischen Schuss verdient. Sie hat allerdings auch nicht gesehen, dass die Kugel seinen Kopf durchbohrte, auf der anderen Seite austrat und ein schwarzes, von Blutspritzern umgebenes Loch in seinem
Garfield-Kalender hinterließ – Garfield ist der Kater, der eine Sonnenbrille trägt und Lasagne frisst.
    Der tatsächliche Schaden in Owens Schädel ist erstaunlich gering. Durch das Fenster drang das Geschoss in den Hinterkopf. Weil das Fenster offen war, hatte ich den Straßenlärm gehört. Nicht, weil die Kugel die Scheibe zertrümmert hatte. Vermutlich wollte Owen die milde Frühlingsluft genießen.
    Seltsamerweise fiel er nicht vom Stuhl. Stattdessen saß er aufrecht da, den unberührten, zweifellos kalten Kaffee vor sich. Nur der Kopf war gesenkt, als würde er ein Schläfchen halten. Offensichtlich merkte er nichts von der Gefahr. Barmherzigerweise starb er sofort. Trotzdem bin ich mir nicht sicher, ob er den Tod verdient hat, noch dazu auf diese Weise.
    »Wie auch immer …«, sagt Sarah, als ich das erwähne. Weil die Polizei den Tatort abgesperrt hat, sitzen wir in einer Abstellkammer hinter der Eingangshalle. Hier trafen sich früher die Werkstudenten, bis wir ihrem monatelangen Gejammer nachgaben und ihnen einen anderen Raum anboten, der nicht wie dieser direkt gegenüber dem Büro der Speisesaalverwaltung liegt und nicht nach den heimlich gequalmten Zigaretten des Speisesaal-Managers stinkt. Jetzt werden in der Kammer schadhafte Stühle und verirrte Pakete für die North American Man/ Boy Love Association verwahrt, deren Büro weiter unten an der Straße liegt und deren Post ich oft weiterzuleiten »vergesse«.
    Aus irgendeinem Grund enthält die Kammer nicht nur kaputte Stühle, sondern auch eine Couch, einen Schreibtisch mit einem kleinen Computer, einen Schlafsack, eine anscheinend funktionsfähige Kaffeemaschine und ein
paar Becher. Vermutlich verbringen die Hausmeister und Putzfrauen hier drin ihre inoffiziellen Arbeitspausen. Nur gut, dass Owen tot ist. Hätte er das herausgefunden, wären ihm ein paar Adern geplatzt.
    »Das müssen Sie zugeben«, sagt Sarah, als hätte sie meine Gedanken gelesen, »er war ein Ekel.«
    »So schrecklich, dass man ihn erschießen musste? Das glaube ich nicht.«
    »Und das Theater wegen des Kopierpapiers?«
    »Er wollte nicht, dass ich’s von einem anderen Büro ausleihe!«, fahre ich sie an. »Immerhin war er der Boss!«
    »Deshalb müssen Sie nicht so schreien. Typisch für Sie, nicht zu sehen, wie er seine Zeit mit bürokratischem Kleinkram vergeudet hat, statt sich um wichtige Dinge zu kümmern – zum Beispiel die Verachtung des Colleges für die grundlegenden menschlichen Bedürfnisse seiner Angestellten, die am härtesten arbeiten.«
    »Ob ich mich dazuzählen darf, weiß ich nicht«, sage ich bescheiden. Wenn doch, entschädige ich mich auf meine Weise. In meinem Vertrag steht nichts von kostenlosen Mahlzeiten, die klaue ich einfach.
    »Von Ihnen rede ich nicht«, faucht Sarah, »sondern vom Lehrkörper, von Wissenschaftlern und Werkstudenten und -studentinnen, für die das College keine Krankenversicherung bezahlt, keine Kinderbetreuung oder andere arbeitsrechtliche Vergünstigungen, die keine Beschwerdeausschüsse gründen und nicht gegen Arbeitsüberlastung protestieren dürfen.«
    »Oh.« Der kleine Schreibtisch, an dem ich sitze, ist mit vollgekritzelten Post-its und undefinierbaren Essensresten übersät und voller ringförmiger Flecken von Kaffeebechern. Haben die Werkstudenten auch so eine Sauerei
hinterlassen? Daran erinnere ich mich nicht. Ich muss das Reinigungspersonal beauftragen, hier sauber zu machen. Sonst kriegen wir noch Mäuse. Hätte Owen diesen Schreibtisch gesehen, hätte er traurig den Kopf geschüttelt. Er war ein Ordnungsfanatiker. Einmal fragte er mich, ob ich
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