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Mord am Millionenhügel

Mord am Millionenhügel

Titel: Mord am Millionenhügel
Autoren: Gisbert Haefs
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aufgehoben. Hat auf die Uhr gekuckt und was von Bahnhof gemurmelt. Hab ihn gefragt, ob er's weit hat und ob ich ihm 'n Taxi rufen soll. Wollt er nich, konnt sowieso nur noch lallen. Hat irgendwas gesagt wie Taxi zu teuer, drei Stationen oder so, dann ist er abgetorkelt. Mann, war der abgefüllt.«
    Kurz nach Mitternacht waren wir am Bonner Bahnhof und standen vor einem Plan, auf dem sämtliche Bus- und Straßenbahnlinien graphisch dargestellt waren.
    Baltasar betrachtete die Skizze mit gespitztem Mund. »Warum ist er denn bis zum Bahnhof gewandert?«
    »Hier kommen fast alle Linien zusammen«, sagte ich.
    Baltasar blickte mich von der Seite an. »Okay, Doktor Watson«, sagte er, »denken wir mal ein paar Takte. Die Bahn können wir ausschließen, nicht wahr? Um Mitternacht gibt's zwar noch Züge, aber wenn das mit den drei Stationen stimmt, dann ist das auch bei nem Bummelzug für die nächsten Örter zu weit, um regelmäßig Streifen durch Bonner Kneipen zu machen, richtig?«
    »Richtig. Bleiben also Busse und Straßenbahnen. Und unsere U-Bahn.«
    Die U-Bahn ist einer der meistbelachten Gags der Bonner Stadtplaner, die nach einhelliger Meinung der Bevölkerung in eine geschlossene Anstalt gehören. Früher gab es eine Straßenbahn von Mehlem im Süden bis ungefähr zum Bonner Bahnhof. (Er heißt Hauptbahnhof, aber das will mir nicht so recht über Lippen und Tasten.) Dann konnte man zu Fuß in ein paar Minuten die Rheinuferbahn erreichen, die nach Köln führte. Der Vorteil der U-Bahn besteht nun darin, daß man zuerst die Strecke Godesberg-Mehlem abschaffte, dann etwa ab dem Regierungsviertel ein halbes Dutzend Stationen unter die Erde legte und unter dem Bahnhof eine Anbindung an die alte Rheinuferstrecke schuf. Drei Viertel der Strecke verläuft die Bahn zwischen Godesberg und Bonn überirdisch, in den alten Straßenbahnschienen. Dafür wurden prachtvolle neue Haltestellen eingerichtet.
    Ein paar Jahre vor Beginn der U-Bahn-Buddelei wurde die Straßenbrücke über die Bundesbahn gebaut, die Reuterbrücke. Sie war irrsinnig teuer, weil sie zweigeteilt werden mußte. Damals war man der Meinung, die Bonner Straßenbahn könne auf ewig nicht verlegt werden, und der Schienenstrang lief genau dort entlang, wo die Brücke entstehen sollte. Also wurde die Brücke in zwei Teilen gebaut, dazwischen versickerte die Bahn. Später wurde die Straßenbahn zur U-Bahn, mit einer Zeitersparnis von vier Minuten (auf etwas mehr als zwanzig) gegenüber der alten Straßenbahn und mit einem Kostenaufwand von mehreren hundert Millionen DM. Wegen der hohen Personalkosten verschwanden natürlich die Schaffner, und für viel Geld wurden Fahrkartenautomaten aufgestellt, die meistens nicht funktionieren oder gerade dann, wenn man wirklich nur noch ein Fünfmarkstück hat, kein solches schlucken wollen. Abgesehen davon, daß es erfreulicher ist, Karten von einer Schaffnerin zu kaufen, sind damit auch weitere Möglichkeiten für Studenten mit armen Eltern entfallen. Ich kenne einige, die sich ihr ganzes Studium als Schaffner finanziert haben. Aber nicht genug des makabren Spiels: Um sicherzugehen, daß auch alle Fahrgäste Fahrkarten an den Automaten ziehen, patrouillieren gelegentlich Kontrolleure auf der Jagd nach Schwarzfahrern durch die Wagen. Ob man die wohl speziell hat einstellen müssen? Damit nicht die Arbeitsplätze der Kontrolleure gefährdet sind, wird die Stadt wohl demnächst Schwarzfahrer einstellen. Vielleicht Leute aus Mehlem, um sie so wieder an die Zivilisation anzubinden.
    Baltasar schüttelte den Kopf. »Ich stelle eine kühne Behauptung auf. Busse können wir ausschließen.«
    »Wieso?«
    »Kennst du jemanden, der von Busstationen redet? Alle Leute, die ich je über Busse habe sprechen hören, haben von Bushaltestellen gesprochen. Station verweist meiner Ansicht nach eindeutig auf Bahn. Die Straßenbahnen können wir auch ausschalten.«
    »Okay, ich hab auch meistens ›Straßenbahnhaltestelle‹ gehört, aber möglicherweise ...«
    »Darum geht's nicht. Sieh dir die Linien an. Drei Stationen mit den Straßenbahnen, das bringt ihn mit keiner der Linien weit vom Bahnhof weg, das kann er alles in fünf Minuten zu Fuß haben. Wenn er Richtung Dottendorf fährt, kommt er mit drei Stationen ungefähr bis in Höhe
Lauseck
zurück. Und in den anderen Richtungen gerade bis zum Bertha-von-Suttner-Platz. Lohnt sich also nicht. Übrigens bringen ihn auch drei Bus-Stationen nirgends weit. Nein, er hat die U-Bahn genommen.«
    Wir
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