Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Morbus Konstantin: Ein Steampunk-Roman (German Edition)

Morbus Konstantin: Ein Steampunk-Roman (German Edition)

Titel: Morbus Konstantin: Ein Steampunk-Roman (German Edition)
Autoren: T. Aaron Payton
Vom Netzwerk:
innere Schäden davongetragen hatten, als dass sie hätten wiederbelebt werden können. Sie blieben einfach tot auf dem Tisch liegen, um später als Futter für die anderenMisserfolge zerhackt zu werden. Zumindest für die, die er behielt.
    Er beugte sich vor und sah in das Gesicht der Frau, so friedlich und ruhig. „Erhebe dich“, flüsterte er, ein Ritual ohne wissenschaftliche Rechtfertigung, das er sich dennoch erlaubte.
    Die Frau öffnete die Augen. Ihre Pupillen waren riesengroß, schwarze Abgründe, die Iris nur ein dünner farbiger Streifen. Aber das bedeutete nicht zwingend, dass sie …
    „Unggaahhh!“, sagte sie, und obwohl ihre Stimme eine individuelle Tonlage und Klangfarbe hatte, war die Art des Stöhnens vertraut. Sie schmeckte nach Asche und Galle in seinem Mund. Das Stöhnen war ein Laut des Hungers und der verzweifelten, sinnlosen Gier. Sie zuckte mit dem Kopf zu ihm herum und schnappte so fest zu, dass einer ihrer eigenen Schneidezähne abbrach. Doch Adam war noch immer viel schneller als normale Menschen, und ihr Biss verfehlte das Fleisch seiner Wange. Sie warf ihren Kopf hin und her und zerrte an den Riemen. Die Fesseln knarzten, doch sie hielten. Die Frau war jetzt wesentlich stärker als vor ihrem Tod und ihrer Wiedererweckung. Sie konnte nun das volle Potential ihrer Muskeln nutzen, ohne von Schmerzen, Zerrungen oder Wundheit geplagt zu werden. Doch sie war nicht Adams erstes Versuchsobjekt, noch nicht einmal sein zwanzigstes, und die Riemen waren stark genug und hielten.
    Ein weiterer Fehlschlag. Bis jetzt waren sie alle Fehlschläge gewesen, doch die Liebe zog ihre Kraft aus dem Kampf, oder etwa nicht? Eine Liebe, die leichtfiel, konnte man auch leicht wieder verlieren. Adam notierte die Ergebnisse des Experiments in seinem Tagebuch und nutzte dabei eine Geheimschrift, die er selbst erfunden hatte. Dann überlegte er . Sie war reizend, und es wäre großartig gewesen, sie für seine Ehrengarde zu behalten. Seine Forschung ging ständig weiter, und wenn er sie behielte, würde er ihr vielleicht eines Tages eine wahre Auferstehung geben können. Aber nein. Sie war zu reizend, und es war schon eine Weile her, dass Adam seinem Gönner eine arbeitsfähige Frau geschickt hatte. Dessen Kollegen würden aufhören, ihm weiterhin diese armen toten Mädchen zu bringen, wenn er ihnen nicht hin und wieder etwas von dem Gewinn zurückzahlte.
    Adam riss ein halbes Blatt Papier aus dem Tagebuch und kritzelte darauf eine Notiz in einem einfacheren Code, die jedem Leser außer dem beabsichtigten Empfänger wie eine bedeutungslose und langweilige persönliche Nachricht erschienen wäre. Er begab sich nach oben ins Erdgeschoss seines schmalen Hauses, das zwischen Lagerhäusern eingequetscht war. Es stand nicht weit von jenem Gebiet innerhalb der Mauern, das die meisten weitläufig umgingen. Die Mauern schlossen fast das gesamte ehemalige Whitechapel ein. Er legte seinen Kapuzenumhang um, setzte die einfache weiße Maske auf, die seine Züge verbarg, und stieß die Tür auf.
    Draußen war es früher Abend in einer verwahrlosten Londoner Straße. Der Himmel wurde bereits von den seltsamen Lichtern erhellt, die die Zeitungen „Aurora Britannica“ nannten. Sie waren einen Monat zuvor erschienen, und einige schrieben sie dem neuen Liebhaber der Königin und seinen angeblichen Experimenten mit der Atmosphäre zu. Adam interessierten die Lichter oder ihre Ursache höchstens auf eine abstrakte Weise . Seine Belange waren weit bodenständiger.
    Er rief: „Du da, Junge“, ohne jemand besonderen zu meinen, und ein Straßenjunge mit schmutzigem Gesicht kam aus dem Schatten hervor. „Sir?“, sagte er, ohne so nahe heranzukommen, dass Adam ihn hätte berühren können. Adam achtete darauf, seine Sonderlieferungen nur spät nachts und durch die Tunnel unter seinem Haus vorzunehmen, aber dennoch war er Gegenstand wilder Gerüchte. Die Leute vermuteten, dass er lebende Menschen aufschnitt, dass er in einem Experiment entsetzliche Narben davongetragen hätte (daher die Maske), dass er ein Hochadliger war, der an Morbus Konstantin litt (auch daher die Maske), und noch viel absurdere Einfälle. Doch trotz ihrer Befürchtungen hatten einige Straßenkinder, die in der Nähe hausten, gemerkt, dass man von ihm gelegentlich ein paar Münzen bekommen konnte. Normalerweise fand er immer eines, das tapfer genug war, sich ihm zu nähern.
    „Kennst du den Süßigkeitenladen in der Hay Street?“
    Der Junge nickte.
    „Bring dem
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher