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Mops und Möhren

Mops und Möhren

Titel: Mops und Möhren
Autoren: Silke Porath
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verstehen kann ich beide. Und einmischen will ich mich ungefragt auch nicht. Muss ich in dem Moment auch nicht, denn Rolf biegt um die Kurve. Ich kneife die Augen zusammen, um ihn besser sehen zu können – nein, ich will keine Brille, ich will sie einfach nicht! Und tatsächlich, da ist es wieder, mein geliebtes Rolfgrinsen. Schnaufend und hoch erhobenen Hauptes passiert unser Ritter von der gefüllten Gießkanne uns, geht zum Motor und schüttet vorsichtig, als wäre es das letzte Wasser bei einer Wüstentour, das kühle Nass in den mittlerweile abgekühlten Kühler.
    »Das glaubt mir jetzt keiner«, sagt er, als der letzte Tropfen im Schlund des Fiat verschwunden ist. Chris nimmt ihm die Kanne ab und gibt ihm ein Küsschen auf die Wange. »Im ersten Haus war keiner, im zweiten hat eine Frau mit Kopftuch aufgemacht, die mich nicht verstanden hat«, sagt Rolf und zieht genüsslich an seiner Camel, die Chris ihm angesteckt hat.
    »Dann hab ich bei ›Knümann‹ geklingelt. Ich sag euch, die hat einen Vogel«, sagt Rolf und lacht. »Und zwar auf der Schulter! Die macht mir in einem knallroten Kimono auf, und das Erste, was ich sehe, ist der Wellensittich. Und bevor die Frau was sagen kann, kreischt mich der Vogel an.« Rolf macht eine Kunstpause. Kenn ich schon. Aber Chris fällt wie immer darauf rein und hechelt fast so wie Earl, wenn der eine Wurst will.
    »Erzähl weiter!« Chris klatscht in die Hände.
    »Ich war völlig geblendet von diesem knalligen Rot, das hat echt in den Augen wehgetan. Jedenfalls hab ich der Frau die Gießkanne hingestreckt, und da schreit mich der Vogel an: ›Alte Wutz!‹, sagt der zu mir! Die Frau ist mit einem Schlag leichenblass geworden. Ich glaube, die dachte, ich bin der Mörder mit der Gießkanne.« Rolf schüttelt sich vor Lachen.
    »Die knallt die Tür zu und brüllt was von Polizei.« Rolf hustet vor Lachen. »Ich hab noch mal geklingelt und nach ein bisschen Wasser gefragt. Erst musste ich mir anhören, wie teuer das Wasser neuerdings sei, dann wurde ich noch ein Dutzendmal als alte Wutz betitelt, aber schließlich hat sie doch ein paar Tropfen rausgerückt.«
    »Alte Wutz«, sagt Chris und gibt unserem Retter einen Schmatzer auf die linke Wange.
    »Turbowutz«, lege ich nach und knutsche rechtsseitig. Dann verstauen wir uns und die Kanne im Wagen. Der Uno springt ohne Zicken an. Zwar kommen wir auf den letzten Kurven den Berg hinauf nicht mehr über 50 Stundenkilometer raus, aber immerhin verläuft der Rest der Fahrt ohne weitere Zwischenfälle. Eine knappe Viertelstunde später lenke ich den Wagen auf den geschotterten Parkplatz vor der Kolonie ›Zur Wonne‹.
     
    Earl wuselt auf seinen kurzen Beinchen zwischen den altersschwachen Rosen, den mit Moos überzogenen abgebrochenen Ästen und den gerade die Blütenknospen in die Sonne reckenden Büschen hin und her. Mudel tobt über das, was einmal ein Rasen war und laut Chris schon in diesem Sommer wieder einer werden soll. Der Köter steckt seine Nase in jedes Wühlmausloch, das er in unserer Parzelle finden kann. Die Schnauze noch halb im Boden steckend versucht er zu bellen. Außer einem entrüsteten Husten bringt er aber nichts zustande. Meine Jungs und ich hocken auf den feuchten und morschen Stufen vor dem, was sich Laube nennt, jeder eine Zigarette in der einen und eine Dose Prosecco in der anderen Hand. Wir haben uns beides redlich verdient: Mit der Schubkarre, die Chris vom Vormieter übernommen hat, haben wir Sack um Sack und Rechen um Hacke vom Parkplatz quer durch die Kolonie zur Laube geschafft. Die wie mit dem Lineal gezogenen Wege wären viel zu eng, um ein Auto durchzubugsieren. Selbst mit meinem Uno müsste ich befürchten, die eine oder andere akkurat gestutzte Hecke ins ewige Gartenparadies zu befördern.
    »Eigentlich ganz schön hier«, sagt Rolf und hebt seine Proseccodose gegen den stahlblauen Himmel. Drei Wölkchen ziehen am Horizont träge ihre Bahn, und die Sonne ist für die Jahreszeit erstaunlich warm. »Wenn das Dings nicht wäre.« Rolf zeigt mit der Kippe hinter sich. Mit ›Das Dings‹ meint er den Schrotthaufen von Hütte.
    Chris Augen füllen sich mit Tränen. Mit einem kräftigen Schluck aus seiner Dose spült er sie hinunter. Dann rülpst er leise und zerknüllt die Dose in seiner Hand. Ich staune – der Mann muss wirklich wütend sein!
    »Letztes Jahr sah es nicht so schlimm aus.« Chris’ Tonlage liegt irgendwo zwischen Geisterbahn und Julio Iglesias, dem ein Groupie ins Gemächt
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