Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Moonshadow - Das Schwert des grauen Lichts

Titel: Moonshadow - Das Schwert des grauen Lichts
Autoren: Simon Higgins
Vom Netzwerk:
den er auf seinem Rücken unter dem Schwert trug, herabgleiten und griff nach einem Ballen rauen schwarzen Stoffes.
    Er glich die lange Längsachse der Rolle mit der entfernt liegenden Tür ab, dann lehnte er sich in den Raum und machte eine schnelle Handbewegung. Die Rolle wickelte sich rasch in ei ner geraden Linie in der Mitte der Tatami-Matten ab. Sie wurde immer dünner. Mit einem leisen Zischen durchquerte sie den Raum. Nanashi beobachtete sie mit angehaltenem Atem.
    Knapp drei Schritte vor der Tür lief sie aus. Ein reichhaltiger Geruch mit Noten von Seegras und Kakipflaume stieg von dem Tuch auf. Obwohl er bei ßend scharf war, war Nanashi froh, dass er ihn wahrnahm. Jede Zinke, die das Tuch durchdrang, würde mit dem getrockneten Trank bedeckt werden, der das Gegenmittel für das Tetsubishi-Gift war.
    Dies war die letzte Tür, wenn die Unterlagen vom alten Badger richtig und unverändert waren. Man konnte nie ganz sicher sein. Der Affe des Bibliothekars hatte bekanntlich seine Landkarten und Schaubilder auf alle möglichen Arten unleserlich gemacht,
und Badger, der selbst fast alle bekannten Sprachen in Wort und Schrift beherrschte, war oft unwillig, wenn es darum ging, seine Grafiken für andere verständlich zu machen. »Das findest du selbst he raus, Junge«, hatte er Nanashi hundertmal schroff angewiesen, »sonst trocknet dein faules Gehirn aus wie Seetang, der an einem Felsen klebt!«
    Nanashi schüttelte seinen Kopf. Besten Dank, Badger! Egal, ob es der letzte Raum war oder nicht, er konnte nicht so weit sprin gen, nicht vom Rand des Tuches bis zum Türrahmen, und schon gar nicht in diesem Winkel.
    Auf allen vieren kroch Nanashi die Stoffbahn entlang: er versuchte, sein Gewicht gleichmäßig zu verteilen, und testete jede Stel le zuerst mit ei nem vorsichti gen kat zenarti gen Schritt. Als er den di cken, dicht gewebten Stoff stärker belastete, hielt er tatsächlich und schützte ihn so vor den Spitzen der überall ausgelegten Tetsubishi.
    Er erreichte das Ende des Tuchs und zog vorsichtig das Schwert aus der Scheide auf seinem Rücken. Nanashi balancierte am Rand des derben Stoffes und streckte sich nach vorn. Mit der flachen Seite seines Schwertes schlug er behutsam nach links, dann nach rechts. Mit einem leisen Klingen flogen einige Tetsubishi zur Seite. Er stand langsam auf, dann machte er einen behutsamen Schritt auf die Stelle, die er gerade frei gemacht hatte. Sein Schwert hielt er vor sich ausgestreckt, die Spitze in der Höhe seines Halses. Nanashi blinzelte zu dem Stück, das noch vor ihm lag, machte drei rasche Schritte und sprang zur Tür.

    Er beseitigte das letzte Tetsubishi und landete lautlos in der Hocke genau vor der papiernen Schiebewand. Nanashi blickte sich um, steckte sein Schwert in die Scheide und goss noch einmal vorsichtig Wasser in den Türspalt, um die Bodenschienen lautlos zu machen. Dann richtete er sich auf und zählte langsam, während er wieder sein Schwert zog. Mit dessen Spitze schob er sanft die Tür auf. Wieder weiteten sich seine Nasenlöcher.
    Dieser Raum war auch rechteckig, aber nicht leer wie der vorige. Ein gedrungenes Schreibpult in chinesischem Stil stand am entgegengesetzten Ende unter einem geschlossenen, verriegelten Fenster. Ein Schreibtisch aus gebeizter Zeder mit einem goldenen Hexagramm auf einer Seite. Genau wie es in den Plänen gestanden hatte - die Dokumente mussten hier sein.
    Wie gewohnt prüfte er den Raum so genau er konnte, bevor er ihn betrat. Keine Spur irgendwelcher Fallen. Der Schweißgeruch war hier so stark - es musste eine Wache geben, zusammengekauert und angriffsbereit in einer der Ecken verborgen. Aber in welcher? Und gab es nur eine Wache? Schwache nagende Geräusche drangen hinter dem Pult hervor. Nanashi lächelte, als er Nagetier roch. Was für eine Erleichterung. Irgendein Schreiber hatte hier erst vor Kurzem gegessen, und eine Maus kümmerte sich um die Krumen, die das Dienstmädchen übersehen hatte.
    Er sank auf die Knie und ließ das Schwert auf seinen Oberschenkeln ruhen. Nanashi versuchte, mit
seinem Blick die Dunkelheit zu durchdringen, und konzentrierte sich mit allen Sinnen auf die Quelle des leisen Geräusches. Für einen Moment gerieten seine Hände ins Zittern. Er atmete ganz tief durch und schloss die Augen. Das Nagegeräusch hörte auf. Er vernahm ein leises Kratzen. Nanashi zog eine Grimasse. Seine Nase kräuselte sich: Der Geruch im Raum war auf einmal überwältigend.
    Die Maus kam unter dem Schreibpult
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher