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Monuments Men

Monuments Men

Titel: Monuments Men
Autoren: Robert M. Edsel
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größte Reich, das die Welt bisher gesehen hatte. Das stärkste, disziplinierteste, rassenreinste Reich. Berlin würde sein Rom werden, doch ein wahrer Künstler-Herrscher brauchte auch ein Florenz. Und er wusste auch schon, wo er es errichten würde.
    Knapp zwei Monate zuvor, am 13. März 1938, einem Sonntag, hatte Adolf Hitler einen Kranz auf dem Grab seiner Adoptiveltern in Linz niedergelegt. Am Nachmittag des Vortages war einer seiner größten Wünsche in Erfüllung gegangen. Er, der einst abgewiesen und ignoriert worden war, war aus Deutschland, wo er jetzt herrschte, in sein Heimatland Österreich zurückgekehrt, das er gerade an das Deutsche Reich angeschlossen hatte. In jeder Stadt, die sein Konvoi passierte, jubelten ihm die Menschen zu, Kinder überhäuften ihn mit Blumen und Lobpreisungen. In Linz wurde er als heldenhafter Eroberer willkommen geheißen, als Retter des Landes und seiner Bewohner.
    Am nächsten Morgen aber sah Hitler sich gezwungen, länger als geplant in Linz zu verweilen. Viele der Lastwagen und Panzer im deutschen Konvoi waren mit Pannen liegen geblieben, sodass die Straße nach Wien blockiert war. Den ganzen Vormittag schimpfte er auf seine Kommandeure, weil sie ihm diesen triumphalen Augenblick vermasselt hatten und ihn vor seinem Volk und der Welt blamierten. Doch als er an diesem Nachmittag allein auf dem Friedhof stand, seine Soldaten und Begleiter in respektvollem Abstand, ergriff ihn abermals dieser Glücksmoment: Er hatte es vollbracht. Er war nun kein trauernder Sohn mehr, der vor dem eisernen Grabkreuz seiner Mutter kniete. Er war der »Führer«. Und er war seit diesem Tag auch der Herrscher über Österreich. Er musste sich nicht mit den planlos am Flussufer aneinandergereihten Industriegebäuden von Linz abfinden; er konnte sie neu aufbauen. Er konnte diese kleine Industriestadt mit Geld und Ansehen ausstatten, bis sie das jüdisch verseuchte (doch zugleich virulent antisemitische) Wien übertraf, eine Stadt, die er verachtete.
    Vielleicht dachte Hitler an diesem Tag an Aachen. Seit 1100 Jahren kündete die Stadt mit der Grabstätte Karls des Großen, des Kaisers des Heiligen Römischen Reiches, der 800 n. Chr. das erste deutsche Reich gegründet hatte, vom Ruhm und der Größe dieses Mannes. Auf ihren antiken Grundlagen hatte Karl der Große einen dauerhaften Herrschaftssitz errichtet, dessen Mittelpunkt der prachtvolle Aachener Dom bildete. Adolf Hitler wollte Berlin nach dem Vorbild Roms neu errichten. Doch Linz, dieses Provinznest mit seinen Fabriken und rauchenden Schornsteinen, wollte er nach seinen eigenen Vorstellungen neu erbauen. Es war nicht nur ein Traum; er besaß jetzt die Macht, seiner Führerschaft und seiner Künstlerseele dauerhaften Ausdruck zu verleihen. Zwei Monate später, in den Uffizien in Florenz, erkannte er deutlich, wie das künftige Linz aussehen würde: Es sollte das kulturelle Zentrum Europas werden.
    Im April 1938 hatte Hitler begonnen, sich mit der Idee eines Kunstmuseums in Linz zu beschäftigen, eines Hauses, in dem seine persönliche Sammlung von Kunstobjekten untergebracht werden sollte, die er seit den 1920er-Jahren zusammentrug. Sein Besuch an einer der zentralen Stätten der abendländischen Kunst zeigte ihm jedoch, dass er bislang in viel zu kleinem Rahmen gedacht hatte. Er würde Linz nicht lediglich ein Museum schenken. Er würde die Uferzeile der Stadt an der Donau in eine Kulturmeile wie jene in Florenz verwandeln, aber mit breiten Boulevards, Gehsteigen und Parks und mit sorgfältig geplanten und überwachten Aussichtspunkten. Er würde ein Opernhaus bauen, eine Konzerthalle, ein Kino, eine Bibliothek und natürlich ein riesiges Mausoleum, in dem dereinst seine Grabstätte angelegt werden würde. Und den Mittelpunkt würde sein Führermuseum bilden, sein Aachener Dom, das größte, die wichtigste und eindrucksvollste Gemäldegalerie der Welt.
    Das Führermuseum würde sein künstlerisches Vermächtnis sein. Dadurch würde er Genugtuung erhalten für seine Zurückweisung durch die Wiener Kunstakademie. Es würde den maßgeblichen Bezugspunkt bilden für die Vernichtung der »entarteten« Kunst der Juden und der deutschen Expressionisten, für das Haus der Deutschen Kunst in München, das erste öffentlich finanzierte Projekt seiner Regierung, für seine großen jährlichen Kunstausstellungen zur Erbauung der deutschen Bevölkerung, für sein Interesse, die Elite der Partei für das Sammeln von Kunst zu begeistern, und für seine
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